Arbeitsrecht

Betriebsübergang führt nicht ohne weiteres zum Annahmeverzug

Das Arbeitsgericht Neumünster hat mit Urteil vom 16.12.2021 – 1 Ca 305 b/21 – entschieden, dass sich der vorherige Annahmeverzug des Betriebsveräußerers nicht ohne Weiteres beim Betriebserwerber fortsetzt. Der Arbeitnehmer sei zur Begründung von weiteren Annahmeverzugsansprüchen ggf. dazu verpflichtet, seine Arbeitsleistung erneut anzubieten.

Dem Arbeitsgericht Neumünster lag folgender Fall zugrunde:

Der Betriebsveräußerer betrieb einen Herrenfriseursalon in einem Einkaufscenter und beschäftigte die Klägerin sowie den späteren Betriebserwerber. Aufgrund des staatlich verfügten „Lockdowns“ musste der Salon vom 16.12.2020 bis zum 28.02.2021 schließen. Am 01.03.2020 organisierte der Betriebsveräußerer ein Treffen, an dem alle Arbeitnehmer teilnahmen. Dort teilte er mit, dass der Friseursalon nicht mehr weiterbetrieben wird. Zudem sei einem seiner Mitarbeiter die Fortführung des Betriebes angeboten worden. Am 15.03.2021 erfolgte der Verkauf des Inventars durch den Betriebsveräußerer an den o.g. zuvor angestellten Betriebserwerber. Dieser eröffnete einen Herrenfriseursalon an gleicher Stelle am 01.04.2021 und übernahm einen Arbeitnehmer des Betriebsveräußerers. Die Klägerin berief sich infolgedessen auf einen Betriebsübergang und machte erst Ende November gerichtlich Annahmeverzugslohnansprüche für den Zeitraum 01.04.2021 bis zum 30.11.2021 geltend.

Das Arbeitsgericht Neumünster nahm einen Betriebsübergang an, lehnte aber etwaige Ansprüche auf Annahmeverzugslohn gegen den Betriebserwerber ab. Die Arbeitsleistung sei in der Zeit vom Betriebsübergang vom 01.04.2021 bis zum 30.11.2021 nicht angeboten worden. Auch die Geltendmachung der Ansprüche erfolgte erst im Nachhinein, sodass sich hieraus ebenfalls rückwirkend kein Angebot ergeben würde.

Der Annahmeverzug des Betriebsveräußerers, der die Klägerin für den Monat März letztlich freistellte, würde nicht ohne Weiteres gegenüber dem Betriebserwerber fortbestehen. Die Klägerin hätte vielmehr ihre Arbeitsleistung erneut anbieten müssen. Zwar trete der Betriebserwerber vollständig in die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis ein, doch bestehe diese Haftung nicht unbegrenzt. Eine Grenze sei jedenfalls dann zu ziehen, wenn sich die Grundlagen der begründeten Ansprüche nach dem Betriebsübergang wesentlich geändert haben. Die Klägerin könne aufgrund der veränderten Umstände (hier: Wiederöffnung) nicht von einem unbegrenzten Annahmeverzug ausgehen, wenn die Frage des Betriebsübergangs streitig ist. Vielmehr sei die Klägerin verpflichtet gewesen, nach der Wiederöffnung den Annahmeverzug durch ein entsprechendes Angebot gegenüber dem neuen Betriebsinhaber erneut zu bergründen.

Die hiesige Konstellation sei auch nicht mit dem bisher entschiedenen Fall des BAG (Urteil vom 21.03.1991 – 2 AZR 577/90) vergleichbar, in dem der Betriebsveräußerer durch eine Kündigung in Annahmeverzug geraten ist und den anschließenden Kündigungsschutzprozess verliert.

Das Urteil des ArbG Neumünster berücksichtigt nachvollziehbar die Interessen der Betriebserwerberseite und vermeidet eine grenzenlose Haftung für Annahmeverzugslohnansprüche. Die Rechtsprechung zum Annahmeverzug des Betriebserwerbers ist überschaubar. Eine aktuelle Rechtsprechung des BAG ist nicht ersichtlich, sodass weiterhin das Risiko auf Betriebserwerberseite nicht zu unterschätzen ist.

Gleichwohl differenziert das ArbG Neumünster interessengerecht zwischen Kündigungssachverhalten und dem hiesigen Fall. Schließlich kam es hier durch die Wiedereröffnung des Salons auch ohne eine Kündigung zu wesentlichen Änderungen.

Es wäre unbillig, dem Arbeitnehmer – trotz seiner langandauernden Untätigkeit – Ansprüche aus Annahmeverzug zuzubilligen. Ob sich diese Rechtsprechung durchsetzen wird, bleibt abzuwarten. Dieses Urteil überzeugt und ist aus Betriebserwerbersicht in jedem Fall positiv zu bewerten.