Aussenhandelsrecht

Das achte Paket der EU-Russland- Sanktionen

Am 6. Oktober hat der europäische Rat ein neues, mittlerweile das achte, Paket von Sanktionen gegen Russland als Antwort auf die völkerrechtswidrige Annexion der ukrainischen Regionen Donezk, Luhansk, Saporischschja und Cherson beschlossen. Es zielt darauf ab, die Import- und Exportkapazitäten Russlands weiter einzuschränken; individuelle Sanktionen sind insbesondere auf solche Personen ausgeweitet, die mit der Annexion in Verbindung stehen und solche, die dazu beitragen, die Sanktionen zu umgehen.

Beschränkung des Transports von Rohöl und Erdölerzeugnissen

Aus der Sicht der maritimen Wirtschaft ist dabei erneut in besonderem Maße auf die Beförderung von Rohöl und Erdölerzeugnissen auf dem Seeweg einzugehen.

Hatten bisherige Maßnahmen darauf abgezielt, in begrenztem Umfang den Spotmarkt auch für Lieferungen in die EU bis zum 5. Dezember 2022 unter Altvertragsregelungen zu ermöglichen und damit in gewissem Maße Preisentwicklungen zu beeinflussen, ist der Ansatz im Rahmen des achten Paketes rigider. Von Transporteuren wird erwartet, dass sie die Einhaltung einer Preisobergrenze sicherstellen. Für die Beförderung entsprechender Produkte wird es daher unerlässlich sein, sich entsprechende Verträge und Preisabsprachen zwischen den Parteien des zugrunde liegenden Kaufvertrages vorzeigen zu lassen und kontinuierlich sicherzustellen, dass Ihnen diese unverzüglich und fortlaufend zu offenbaren sind. Es ist zu empfehlen, entsprechende Rechte für Transportaufträge vertraglich zu vereinbaren und sie im Falle eines Zuwiderhandelns mit weitreichenden vertraglichen Rechten, insbesondere der Nichterfüllung geschuldeter Transportleistungen, zu verbinden. Es ist davon auszugehen, dass die Regelungen sehr massiv in übliche Geschäftsabläufe eingreifen, in deren Rahmen Produkte frequentiert weiterveräußert werden, während sie noch an Bord eines Schiffes sind.

Herausforderungen für Compliance-Systeme

Erfasst werden nicht nur sämtliche Seeverkehrsdienstleistungen in das Gebiet der EU, sondern auch in Drittstaaten sowie jegliche technische Hilfe, Vermittlungsdienste und die Bereitstellung von Finanzmitteln oder Finanzhilfen. Dass diese Maßnahmen so konzipiert werden können, ist der dominanten Stellung europäischer Tankreedereien und insbesondere auch der Versicherungswirtschaft zu verdanken. Dank der entsprechenden Marktanteile scheint es aus heutiger Sicht für Russland unmöglich zu sein, eine alternative Tonnagekapazität zu entwickeln, die den mit einer Preisobergrenze festgelegten Eingriff in die Preisgestaltung auffangen könnte. Der Mechanismus ist für die Beförderung von Rohöl ab Dezember 2022 vorgesehen, für weitere Produkte der Erdölerzeugnisse ab Februar 2023. Die Preisobergrenze ist noch nicht benannt, sicher ist es aber bereits, dass für eine Vielzahl von Unternehmen der Transport- sowie der Finanz- und Versicherungswirtschaft neue, weitreichende Herausforderungen für die unternehmensinternen Compliance-Systeme geschaffen werden.

Weitere Verbote

Zu beachten ist des Weiteren, dass das russische Seeschiffsregister nun ebenfalls gelistet ist. Jegliche Transaktionen mit dem russischen Seeschiffsregister unterliegen damit einem Verbot. Bei dem russischen Schiffsregister handelt es sich um eine staatseigene Einrichtung, die Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Klassifizierung und Überprüfung russischer und nicht russischer Schiffe vornimmt. Reedern europäisch geflaggter Schiffe ist dringend von jeglicher Kooperation abzuraten.

Einfuhrverbote

Als weitere handelsbeschränkende Maßnahme sind insbesondere weitere Einfuhrverbote für fertige und halbfertige Stahlerzeugnisse zu nennen, wobei für halbfertige Stahlerzeugnisse ein Übergangszeitraum mit Kontigentregelung vorgesehen ist. Weitere umfasste Produkte sind insbesondere Zellstoff und Papier, Zigaretten, Kunststoffe und Kosmetika, Steine und Edelmetalle sowie Lederwaren und Schuhe, insgesamt wird das Volumen der Einfuhrverbote auf 7 Mrd. EUR geschätzt.

Dienstleistungsverbote

Daneben werden Dienstleistungsverkehre erheblich beschränkt. Neben Bereichen wie der IT-Beratung, Architektur und des Ingenieurwesens wird dabei auch die Rechtsberatung weitgehend eingeschränkt. Dies hat zum Vortrag verfassungsrechtlicher Bedenken geführt. Dabei ist der Anwendungsvorrang des Unionsrechts zu beachten. Dies jedenfalls dann, wenn nicht offensichtliche und strukturell bedeutsame Kompetenzüberschreitungen durch ein Organ der EU vorliegen. Dem Bundesverfassungsgericht wäre es beispielsweise vorbehalten, festzustellen, dass die Verordnung die justiziellen Rechte in einer Weise einschränkt, die mit dem Rechtsstaatsprinzip brechen und insofern eine Kompetenzüberschreitung manifestieren. Da die Grundrechtscharta der EU eigens justizielle Rechte vorsieht, hier sind Art. 47 und 48 besonders hervorzuheben, wäre ein entsprechendes Verfahren vor dem Europäische Gerichtshof naheliegender.

Insgesamt ist es bemerkenswert, wie entschlossen und umfassend die EU gegen Russland und Weißrussland gerichtete Sanktionen entwickelt. Die Maßnahmen offenbaren insgesamt ein sehr tiefes Verständnis wesentlicher Wirtschaftsabläufe und Marktgegebenheiten, deren Berücksichtigung für die Effektivität der Maßnahmen eine entscheidende Tragweite hat.

Ausblick

Die Konzeption der Sanktionen gegen Russland und Weißrussland als Antwort der EU auf den von Russland entfachten Krieg in der Ukraine hat ein intensives Maß erreicht, dass nur noch wenige Wirtschaftsbereiche von tiefgreifenden Veränderungen unberührt lässt. Noch ist es beispielsweise möglich, Arzneimittel nach Russland zu liefern. Für die EU wichtige Güter werden zurzeit auch noch importiert. Trotz aller Bemühungen, insbesondere im Energiesektor zeigen sich aufgebaute Lieferströme als nicht kurzfristig ersetzbar. Die Tiefe der Eingriffe der EU-Sanktionen ist allerdings unverkennbar und wird Auswirkungen auf alle entsprechenden Volkswirtschaften haben. Neben der Regelung der mit den Sanktionsmaßnahmen vereinbarten Verbote ist besonderer Fokus auf die Durchsetzbarkeit der neuen rechtlichen Rahmenbedingungen geboten. Es ist davon auszugehen, dass die Bestrebungen Russlands, die Sanktionen umgehen zu können, zunehmen, sobald das Ausbleiben gewohnter Finanzströme massiver spürbar werden, wozu die Regelungen des achten Pakets von Sanktionsmaßnahmen geeignet ist, einen wesentlichen Beitrag zu leisten. Zur effektiveren Umsetzung der Sanktionen wird derzeit das Sanktionsdurchsetzungsgesetz II auf nationaler Ebene erarbeitet. Es ist davon auszugehen, dass es Kompetenzregelungen enthält, die die derzeitige Struktur in der Durchsetzung von Sanktionsmaßnahmen von den Ländern zu einem gewissen Maß auf den Bund verlagern wird. Dabei sind die Schaffung eines zentralen Vermögensregisters und eine neue, auf Bundesebene verankerte zentrale Behörde zur effektiveren Durchsetzung der Sanktionsmaßnahmen zu erwarten. Sicherlich lohnend ist es, die Entwicklungen aufmerksam zu verfolgen. Es ist davon auszugehen, dass der Staat versuchen wird, derzeitig geschaffene Kontrollmechanismen zu stabilisieren und zu erweitern. Der Entwurf sieht auch Eingriffe bereits im Bereich präventiver Maßnahmen vor. In der EU tätigen Wirtschaftsakteuren ist zu raten, dies als weiteren, besonderen Ansporn für die notwendigen Investitionen in Compliance-Systeme zu bewerten.

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