Arbeitsrecht

Verfall von Urlaub nur bei Hinweis des Arbeitgebers

Mit zwei aktuellen Entscheidungen verschärft der EuGH die Voraussetzungen für die Verjährung und den Verfall von Urlaubsansprüchen weiter. Den Entscheidungen lagen drei Fälle aus Deutschland zugrunde.

Im ersten Fall begehrte eine Arbeitnehmerin, die über viele Jahre regelmäßig nicht alle Urlaubstage in Anspruch genommen hatte, nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses Abgeltung für die nicht genommenen Urlaubstage. Der Arbeitgeber berief sich auf Verjährung. Zu klären war die Frage, ob die nicht genommenen Urlaubstage nur rückwirkend im Rahmen der regelmäßigen Verjährungsfrist von 3 Jahren beansprucht werden können, oder ob der Arbeitnehmerin auch über die deutschen Verjährungsfristen hinaus Anspruch auf Abgeltung von Urlaubsansprüchen zusteht. Der EuGH entschied zugunsten der Arbeitnehmerin, dass sich ein Arbeitgeber nur auf die Verjährung von Urlaubsansprüchen berufen kann, wenn er den Arbeitnehmer tatsächlich in die Lage versetzt hat, den Urlaub in Anspruch zu nehmen, ihn also zuvor hinreichend über seinen Urlaubsanspruch unterrichtet und zur Inanspruchnahme aufgefordert hat.

In den anderen beiden Fällen ging es um Arbeitnehmer, die vor Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses langfristig arbeitsunfähig bzw. erwerbsgemindert waren. Sie verlangten Abgeltung von Urlaubsansprüchen, die sie im Zeitraum vor ihrer Erkrankung bzw. vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit, also zu Zeiten tatsächlicher Beschäftigung erworben hatten. Der Arbeitgeber berief sich auf einen Verfall dieser Urlaubsansprüche, da der Übertragungszeitraum von 15 Monaten nach Ende des Urlaubsjahres bereits abgelaufen war.

Es ist mittlerweile gefestigte Rechtsprechung, dass in den Fällen, in denen Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen ihren Urlaub nicht in Anspruch nehmen können, bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit die Urlaubsansprüche 15 Monaten nach dem Ende des jeweiligen Urlaubsjahrs verfallen. Es wurde allerdings bisher nicht differenziert, wann die Urlaubsansprüche entstanden waren, namentlich, ob sie während der Arbeitsunfähigkeit oder bereits davor entstanden waren.

Auch hier entschied der EuGH, dass Urlaubsansprüche, die vor Eintritt von Arbeitsunfähigkeit bzw. Erwerbsunfähigkeit entstanden sind, nur dann erlöschen, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor tatsächlich in die Lage versetzt hat, den Urlaub in Anspruch zu nehmen, ihn also hinreichend auf seinen Urlaubsanspruch hingewiesen und zur Inanspruchnahme aufgefordert hat.

Es bleibt für die Arbeitgeber die Frage, wie sie hinreichend ihrer Hinweis- und Aufforderungsobliegenheit nachkommen. Sicher ist, dass der bloße Hinweis im Arbeitsvertrag, Urlaubsansprüche zu nehmen, da sie ansonsten verfallen können, nicht ausreicht. Ebenso wenig reicht eine allgemeine jährliche Information an alle Arbeitnehmer, den Urlaub fristgerecht zu nehmen. Vielmehr muss der Hinweis an die Arbeitnehmer individualisiert sein. Es muss jedem Arbeitnehmer individuell mitgeteilt werden, wie viel Urlaub im Kalenderjahr und aus etwaigen Vorjahren noch offen ist und unter welchen Voraussetzungen der Urlaub verfällt. Wann und wie oft im Jahr ein solcher Hinweis erfolgen muss oder welche Rechtsfolgen z.B. bei der fehlerhaften Berechnung von Urlaubsansprüchen etc. eintreten, ist noch nicht geklärt und wird die Arbeitsgerichte in Zukunft sicherlich noch beschäftigen.

Da den Arbeitgeber die Beweislast trifft, dass er die Arbeitnehmer ausreichend informiert hat, empfiehlt sich ein schriftlicher Hinweis, der vom Arbeitnehmer zu quittieren ist oder eine E-Mail, deren Empfang zu bestätigen ist.

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