Kriegsbezogene Erweiterungen der EU -Sanktionsmaßnahmen
- 26. November 2024
- Veröffentlicht durch: Mutke Müller
- Kategorien: Außenhandelsrecht, Handels- und Wirtschaftsrecht, Schifffahrts- und Transportrecht
- Änderungen des EU-Sanktionsrechts
Der Rat der Europäischen Union hat im Herbst dieses Jahres einige begrüßenswerte Erweiterungen von Sanktionsmaßnahmen bekanntgegeben. Diese werden im Folgenden eingehender erörtert.
- Hintergrund – Lieferung iranischer Militärtechnik
Der Lieferung von Drohnen an Russland, für die der Iran bekannt wurde, folgten Berichte, denen zufolge der Iran weitere ballistische Flugkörper an Russland zu liefern beabsichtigte. Der Europäische Rat hat hierzu in einem im März 2024 veröffentlichten Gedankenaustausch über die geopolitische Lage und die wichtigsten globalen Herausforderungen mit dem Generalsekretär der Vereinten Nationen Stellung bezogen und den Iran dazu aufgefordert, diese weitere Unterstützung des Aggressors und damit die Verschärfung des Leids nicht nur an der Front sondern auch durch die Tyrannisierung der ukrainischen Zivilbevölkerung und der zivilen Infrastruktur des Landes zu unterlassen, siehe https://data.consilium.europa.eu/doc/document/ST-7-2024-INIT/de/pdf
- Justierung der Maßnahmen der EU
Die anhaltenden Lieferungen von Militärtechnik an Russland durch den Iran haben dazu beigetragen, dass der Rat der Europäischen Union Anpassungen des im Juli 2023 konzipierten Rahmens von zielgerichteten Sanktionsmaßnahmen im Mai 2024 vorgenommen hat. War demnach zunächst vorgesehen, die Lieferungen von Drohnen, bzw. unbemannten Luftfahrzeugen (UAV) einzuschränken, so werden seitdem auch weitere im Luftkampf eingesetzte Militärgüter, also Flugkörper erfasst, um Sanktionen gegen den Iran zu begründen. Die jetzt bekanntgegebenen Erweiterungen von Sanktionsmaßnahmen sind folgerichtig als diesen weiteren Rahmen ausfüllende Maßnahmen zu verstehen.
Während zunächst im Juli 2024 durch den Rat bekanntgegeben wurde, dass zu dieser Zeit bestehende Sanktionsmaßnahmen gegen Personen und Organisationen des Irans bis zum 27. Juli 2025 verlängert würden, erfolgten im Herbst 2024 Erweiterungen der Sanktionsmaßnahmen. Wir werfen hier einen Blick auf den Inhalt dieser Regelugen.
- Neuregelungen Herbst 2024
Die im Herbst 2024 bekanntgegebenen Sanktionsmaßnahmen sind vor allem mit den Schlagwörtern Verantwortlichkeit und Logistik zu umfassen. Im Oktober wurden unter anderem der stellvertretende Verteidigungsminister des Irans der Liste sanktionierter Personen hinzugefügt, zudem führende Funktionäre der Islamischen Revolutionsgarde und die geschäftsführenden Direktoren der von der EU mit Sanktionen belegten Unternehmen Iran Aircraft Manufacturing Industries und Aerospace Industries Organization.
Die Fluggesellschaften, Saha Airlines, Mahan Air und Iran Air sowie zwei in die Lieferkette der Lieferung von UAV aus iranischer Herstellung an Russland eingebundene Unternehmen, namentlich Basamad Electronic Pouya Engineering Co. (alias Dynamic Electronic Frequency Engineering Limited Liability Company) und die mit der Herstellung von Treibstoff in Verbindung gebrachte Iran Alumina Company werden nunmehr auf der Sanktionsliste geführt.
Ferner wird der Direktor der Islamic Republic of Iran Shipping Lines, (IRISL), Mohammad Reza Khiabani nun auf der Sanktionsliste geführt, ebenso wie IRISL selbst und die russische Schifffahrtsgesellschaften MG Flot LLC, VTS Broker LLC und Arapax LLC.
Mit den aktuell gefundenen Regelungen, die am 18. November 2024 bekanntgegeben wurden, werden die Ausfuhr, Verbringung, Lieferung und der Verkauf von Komponenten, die bei der Entwicklung und Herstellung von Flugkörpern und Drohnen verwendet werden, aus der EU nach Iran verboten. Dafür ist ein neuer Annex IV zur EU- VO 2023/1529 hinzugefügt worden und weitere Änderungen sind gemäß EU- VO 2024/2897 im Rahmen der EU- VO 2023/1529 zu beachten. Annex IV listet die Häfen Amirabad und Anzali auf, mit denen unmittelbare oder mittelbare Transaktionen gemäß des neugefassten Artikels 1a der Verordnung untersagt sind, es sei denn die Ausnahmeregelung des Art. 1a Abs. 2 kommt zum Tragen. Diese Ausnahmeregelung gilt für den Fall, dass ein Schiff, das Hilfe benötigt, einen Notliegeplatz sucht, bei einem Nothafenanlauf aus Gründen der maritimen Sicherheit oder zur Rettung von Menschenleben auf See oder für humanitäre Zwecke, bei der dringenden Abwendung oder Eindämmung eines Ereignisses, das voraussichtlich schwerwiegende und wesentliche Auswirkungen auf die Gesundheit und Sicherheit von Menschen oder die Umwelt haben wird, oder bei der Bewältigung von Naturkatastrophen.
Die Änderungen führen auch zu einer Erweiterung des bestehenden Anhangs II der (EU) 2023/1529. Die Liste der Güter, die den Verboten des Art. 2 unterliegen ist damit signifikant erweitert worden.
- Neufassung des Price Cap Coalition Advisory
Am 21. Oktober 2024 bereits ist seitens der Price Cap Coalition eine aktualisierte Empfehlung (Advisory) für die maritime Industrie herausgegeben worden. Dieser Advisory ist zumindest als Erinnerung und Mahnung an die mit den Sanktionsregelungen verbundenen Verpflichtungen der Maritimen Wirtschaft zu bewerten. Darüber hinaus enthält er einige wichtige Handlungsempfehlungen („recommended actions“). Diese sind vor dem Hintergrund faktischer Entwicklungen konzipiert, zum Beispiel des Aufbaus einer umfangreichen „Schattenflotte“. Diese Empfehlungen können eine Rolle bei der Festlegung des erforderlichen Due-Diligence-Maßstabes spielen und es ist Akteuren der maritimen Industrie daher zu empfehlen, sich mit ihnen vertraut zu machen und sie in eigenem Handeln zu berücksichtigen. Insbesondere auf die Empfehlung Nr. 9, die einem Zuwachs einer die Ölpreisobergrenze unterlaufenden Tankerflotte dienen soll, sei an dieser Stelle ausdrücklich hingewiesen.
Auf der Internetseite des Office of Foreign Assets Control (OFAC) ist der Advisory abrufbar unter https://ofac.treasury.gov/media/933506/download?inline
- Bewertung
Es handelt sich bei den EU-Sanktionen in Folge der russischen Kriegshandlungen auf dem Staatsgebiet der Ukraine um robuste, ohne Präzedenz bestehende Regelungen von enormer Detailtiefe. Wie die neueren Entwicklungen zeigen, findet das Sanktionsrecht auch sehr zielgerichtet Antworten auf aktuelle damit verflochtene geopolitische Herausforderungen. Die hier dargestellten Maßnahmen gegenüber Personen und Unternehmen nicht nur Russlands sondern vor allem auch des Irans sind als besonders zielgerichtet zu bewerten. Eine Besorgnis besteht, dass sich womöglich anderslautende Gesellschaften mit der Fortsetzung des florierenden Handelsgeschäfts mit Militärgütern widmen werden, sodass weitere Beobachtung geschäftlicher Aktivitäten geboten sein dürfte. Geopolitische Entwicklungen werden auf absehbare Zeit von Sanktionsmaßnahmen flankiert, es ist dringend ratsam, sich mit dem Inhalt dieser Maßnahmen vertraut zu machen, um ihre Einhaltung zu gewährleisten.
Angesichts der Detailtiefe der Regelungen ist für den Fall identifizierten Beratungsbedarfes an die Einholung von Rechtsrat zu denken, überblicksartige Veröffentlichungen können nicht die Beratung im Einzelfall ersetzen. Dies gilt auch für diesen Beitrag.
Ahlers & Vogel in eigener Sache
Nachdem Ahlers & Vogel in einigen hochprofilierten Fallkonstellationen, die das EU-Sanktionsrecht betreffen, Mandanten in der Vergangenheit mit Rat und Tat zur Seite stehen konnte und in den vergangenen Jahren insbesondere Akteuren der maritimen Wirtschaft präventiv zur Einhaltung der Sanktionsregelungen behilflich sein konnte, haben wir uns entschlossen, unsere Bereitschaft und Kompetenz in einem erweiterten Sanktionsteam zu bündeln. Bei Bedarf können Sie uns kontaktieren unter der E-Mail: sanctions@ahlers-vogel.de, in eilbedürftigen Angelegenheiten sind wir unter der Telefonnummer +4940378588922 für sie erreichbar