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Keine wirksame Kündigung von Bauverträgen per E-Mail!OLG München, Beschluss vom 03.02.2022 – 28 U 3344/21 Bau

Die Kündigung eines Bauvertrages stellt den wohl einschneidendsten Eingriff in ein bestehendes bauvertragliches Verhältnis dar. Neben dem Umstand, dass das Vertragsverhältnis für die Zukunft beendet wird, hat die Kündigung insbesondere auch mit Hinblick darauf Bedeutung, dass sie eine der Voraussetzungen dafür ist, dass der Auftraggeber im Rahmen eines VOB/B-Bauvertrages die Beseitigung von Mängeln im Wege der Ersatzvornahme veranlassen und die insoweit entstehenden Kosten gegenüber dem Auftragnehmer geltend machen kann. Der Wirksamkeit der Kündigungserklärung wird damit eine besondere Bedeutung zuteil. Welche formellen Anforderungen hierbei zu beachten sind, legt die Entscheidung des OLG München vom 03.02.2022 anschaulich dar. Im Einzelnen:

Worum ging es?

Im Rahmen eines erstinstanzlichen Verfahrens machte der Auftragnehmer (AN) eines VOB/B-Bauvertrages noch ausstehenden Werklohn gegen den Auftraggeber (AG) geltend. Der AG wies den Anspruch zurück und verteidigte sich insbesondere damit, dass er mit einem Anspruch auf Erstattung von Ersatzvornahmekosten aufrechne, die ihm dadurch entstanden seien, dass das Bauwerk sachmangelbehaftet gewesen sei und er den Bauvertrag aus wichtigem Grund gekündigt habe. Die Kündigung des Bauvertrages war dabei dergestalt erfolgt, dass er eine schriftliche Kündigungserklärung eingescannt und per E-Mail an den AN gesendet hatte. Das erstinstanzliche Landgericht gab der Klage des AN statt. Der AG legte gegen dieses Urteil Berufung bei dem OLG München ein.

Wie entschied das OLG?

Das OLG wies die Berufung des AG gegen das Urteil des Landgerichts zurück. Ein Anspruch des AG auf Erstattung der Ersatzvornahmekosten bestehe nicht. Zu den tatbestandlichen Voraussetzungen eines solchen Anspruchs auf Erstattung der Ersatzvornahmekosten zähle im Rahmen eines VOB/B-Bauvertrages regelmäßig, dass das Auftragsverhältnis zuvor wirksam gekündigt wurde. Eine solche wirksame Kündigung liege – so das LG und das OLG übereinstimmend – nicht vor. Wie sich aus der Regelung des § 8 Abs. 6 VOB/B ergibt, hat die Kündigung schriftlich zu erfolgen. Nach der gesetzlichen Regelung des § 126 Abs. 1 BGB ist in den Fällen, in denen durch Gesetz die schriftliche Form vorgeschrieben ist, die Urkunde vom Aussteller eigenhändig durch Unterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens zu unterzeichnen.

Vor dem Hintergrund, dass es sich bei der VOB/B aber um keine gesetzlichen Vorschriften handelt, sondern nur um Allgemeine Geschäftsbedingungen, die durch Einbeziehung Teil des Vertrages werden, wurde in der Vergangenheit vertreten, dass § 126 BGB nicht anwendbar sei, sondern vielmehr die Regelung des § 127 BGB. Diese Regelung hat dabei die vereinbarte, also die einvernehmlich zwischen Parteien verabrede Form zum Gegenstand. Hier heißt es nun, dass es zur Wahrung der schriftlichen Form regelmäßig ausreicht, wenn eine telekommunikative Übermittlung – also beispielsweise per E-Mail – erfolgt.

Zu berücksichtigen ist aber, dass seit dem 01.01.2018 das „neue“ Bauvertragsrecht gilt, welches nunmehr in § 650h BGB vorsieht, dass die Kündigung eines Bauvertrages schriftlich zu erfolgen hat. Hierbei handelt es sich selbstverständlich um eine gesetzliche Formvorschrift. Da es sich bei dem streitgegenständlichen Vertrag – dem auch die VOB/B zu Grunde lag – um einen Bauvertrag im Sinne des § 650a BGB handelte, war das Formerfordernis des § 650h BGB und damit die Schriftform im Sinne des § 126 BGB einzuhalten.

Da die Kündigungserklärung vorliegend aber nur elektronisch erfolgte, war folglich das Formerfordernis nicht eingehalten, sodass die Kündigung unwirksam war. Daran hat insoweit auch nichts geändert, dass die schriftliche Kündigungserklärung eingescannt und sodann per E-Mail versendet wurde.

Der Argumentation des AG, wonach das Schriftformerfordernis nicht mehr zeitgemäß sei und nicht der Wirklichkeit in der täglichen Baupraxis entspreche, folgte das OLG ausdrücklich nicht. Es verwies dabei auf den eindeutigen Gesetzestext.

Praxistipp!

Insbesondere der Bauwirtschaft sollte diese gerichtliche Entscheidung eine eindringliche Mahnung sein, bei der Erklärung einer Kündigung die erforderliche Sorgfalt walten zu lassen. Zwar mag es tatsächlich angehen, dass AG und AN im Rahmen der Abwicklung eines Bauvorhabens fast ausschließlich per Telefon oder E-Mail korrespondieren, jedoch darf dies unter keinen Umständen bei der Erklärung einer Kündigung erfolgen. Gerade weil die Kündigung der wohl einschneidendste Eingriff in das bauvertragliche Verhältnis ist, wird dem Schriftformerfordernis eine besondere Bedeutung beigemessen (Warnfunktion) und es ist vor diesem Hintergrund auch in der Zukunft nicht davon auszugehen, dass – zumindest ohne weitere gesetzliche Änderungen – eine Kündigungserklärung in einfacher elektronischer Form ausreichend sein wird. Die Folgen einer Missachtung der Form können jedenfalls ganz fatal sein. Wie die beschriebene gerichtliche Entscheidung anschaulich darlegt, hatte die bloße Außerachtlassung der Formvorschrift zur Folge, dass sich der auftraggeberseitige Anspruch auf Erstattung der Ersatzvornahmekosten „in Luft aufgelöst“ hatte. Ein Umstand, der in jedem Falle vermieden werden sollte.

Allerdings kann die schriftliche Form aber gemäß § 126 Abs. 3 BGB durch eine besondere Art der elektronischen Form ersetzt werden. Hierfür muss der Erklärende seiner Erklärung gemäß § 126a Abs. 1 BGB seinen Namen hinzufügen und das elektronische Dokument mit seiner qualifizierten elektronischen Signatur versehen. Da bislang nur die wenigsten Beteiligten der Bauwirtschaft mit qualifizierten elektronischen Signaturen arbeiten, wird dieser Ausnahme zunächst noch ein Schattendasein beizumessen sein. Allerdings ist davon auszugehen, dass die Erklärung der Kündigung zukünftig vermehrt auch auf diese Art und Weise erfolgen wird.

Für weitere Fragen zum Thema stehen Ihnen unsere Experten aus dem Bau- und Architektenrecht gerne zur Verfügung.