Arbeitsrecht

Handlungsbedarf für Arbeitgeber: Das Nachweisgesetz und seine bußgeldbewehrten Änderungen

Die Relevanz des Nachweisgesetzes war bisher in der betrieblichen Praxis überschaubar. Zwar sieht die noch bis zum 31. Juli 2022 geltende Fassung des Nachweisgesetzes eine Verpflichtung zur schriftlichen Niederlegung wesentlicher Vertragsbedingungen vor, doch wirklich zwingend erschien die Nachweispflicht – mangels gesetzlich geregelter Sanktionen – für die meisten Arbeitgeber nicht. Arbeitsverträge wurden teilweise mündlich oder digital, stark verkürzt und damit unvollständig oder unter bewusster Außerachtlassung einiger im NachwG aufgezählter wesentlicher Vertragsbedingungen geschlossen.

Etwaige Verstöße gegen das NachwG konnten bisher theoretisch zu Beweisschwierigkeiten für Arbeitgeber führen oder Schadensersatzansprüche der Arbeitnehmer begründen. In der Praxis wurde dies aber nur selten relevant.

Das Gesetz zur Umsetzung der EU-Richtlinie über transparente und verlässliche Arbeitsbedingungen (Arbeitsbedingungen-Richtlinie) wurde vom Bundestag am 23. Juni 2022 beschlossen und führt zu weniger erfreulichen Änderungen für Arbeitgeber. Gleichzeitig sind ab dem 01. August 2022 Verstöße gegen das NachwG sogar erstmals bußgeldbewehrt.

I. Das Nachweisgesetz in seiner bisherigen Fassung (bis zum 31. Juli 2022)

Bisher waren Arbeitgeber verpflichtet, spätestens einen Monat nach Beginn des Arbeitsverhältnisses die wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich niederzulegen, die Niederschrift zu unterzeichnen und dem Arbeitnehmer auszuhändigen. Als Mindestinhalt waren folgende Vertragsbedingungen vorgesehen:

  • Name und Anschrift der Vertragsparteien,
  • Zeitpunkt des Beginns des Arbeitsverhältnisses,
  • bei befristeten Arbeitsverhältnissen: die vorhersehbare Dauer des Arbeitsverhältnisses,
  • der Arbeitsort oder, falls der Arbeitnehmer nicht nur an einem bestimmten Arbeitsort tätig sein soll, ein Hinweis darauf, dass der Arbeitnehmer an verschiedenen Orten beschäftigt werden kann,
  • eine kurze Charakterisierung oder Beschreibung der Tätigkeit,
  • die Zusammensetzung und die Höhe des Arbeitsentgelts einschließlich der Zuschläge, der Zulagen, Prämien und Sonderzahlungen sowie anderer Bestandteile des Arbeitsentgelts und deren Fälligkeit,
  • vereinbarte Arbeitszeit, Dauer des jährlichen Erholungsurlaubs, Kündigungsfristen und
  • Hinweis auf die anwendbaren Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen.

Die Erbringung dieser Nachweise durfte ausdrücklich nicht in elektronischer Form erfolgen.

Im Falle eines Verstoßes gegen die o.g. Nachweispflicht mussten Arbeitgeber aber keine Bußgelder befürchten.

II. Änderungen des Nachweisgesetzes ab dem 01. August 2022

Durch die Änderung des Nachweisgesetzes werden die arbeitgeberseitigen Pflichten zum 01. August 2022 erweitert und die Verfahrensweise modifiziert.

1. Erweiterte Nachweispflichten

Zusätzlich zu den o.g. Punkten aus der bisherigen Fassung des Nachweisgesetzes müssen Arbeitgeber ab dem 01.08.2022 folgende Punkte schriftlich dokumentieren:

  • bei befristeten Arbeitsverhältnissen das Enddatum,
  • eingeräumte Wahlmöglichkeit des Arbeitsortes durch den Arbeitnehmer,
  • sofern vereinbart, die Dauer der Probezeit,
  • die Zusammensetzung und die Höhe des Arbeitsentgelts einschließlich der Vergütung von Überstunden, der Zuschläge, der Zulagen, Prämien und Sonderzahlungen sowie anderer Bestandteile des Arbeitsentgelts, die jeweils getrennt anzugeben sind und deren Fälligkeit sowie die Art der Auszahlung,
  • die vereinbarte Arbeitszeit, vereinbarte Ruhepausen und Ruhezeiten sowie bei vereinbarter Schichtarbeit das Schichtsystem, der Schichtrhythmus und die Voraussetzungen für Schichtänderungen,
  • sofern vereinbart, die Möglichkeit der Anordnung von Überstunden und deren Voraussetzungen,
  • ein etwaiger Anspruch auf vom Arbeitgeber bereitgestellte Fortbildung,
  • wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine betriebliche Altersversorgung über einen Versorgungsträger zusagt, der Name und die Anschrift dieses Versorgungsträgers; die Nachweispflicht entfällt, wenn der Versorgungsträger zu dieser Information verpflichtet ist,
  • das bei der Kündigung des Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber und Arbeitnehmer einzuhaltende Verfahren, mindestens das Schriftformerfordernis und die Fristen für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses, sowie die Frist zu Erhebung einer Kündigungsschutzklage und
  • ein in allgemeiner Form gehaltener Hinweis auf die auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen sowie Regelungen paritätisch besetzter Kommissionen, die auf der Grundlage kirchlichen Rechts Arbeitsbedingungen für den Bereich kirchlicher Arbeitgeber festlegen.

 2. Arbeit auf Abruf

Ferner sieht die neue Fassung des NachwG auch vor, dass bei Arbeit auf Abruf nach § 12 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes weitere Angaben erforderlich sind. Konkret ist in die Niederschrift Folgendes aufzunehmen:

  • Die Vereinbarung, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen hat,
  • die Zahl der mindestens zu vergütenden Stunden,
  • der Zeitrahmen, bestimmt durch Referenztage und Referenzstunden, der für die Erbringung der Arbeitsleistung festgelegt ist und
  • die Frist, innerhalb derer der Arbeitgeber die Lage der Arbeitszeit im Voraus mitzuteilen hat.

 3. Verkürzte Fristen

Neu abgeschlossene Arbeitsverträge

Im Gegensatz zur bisherigen Fassung des NachwG muss ab dem 01. August 2022 dem Arbeitnehmer bereits am ersten Arbeitstag die Niederschrift über den Namen und die Anschrift der Vertragsparteien, das Arbeitsentgelt inkl. Zusammensetzung sowie die Arbeitszeiten einschließlich Ruhezeiten und -pausen zur Verfügung gestellt werden. Für die darüberhinausgehenden o.g. Vertragsbedingungen sieht das neue NachwG eine Aufteilung und Staffelung von sieben Tagen bzw. einem Monat vor.

Alt-Verträge

Auch Beschäftigte, die vor dem 01. August 2022 eingestellt wurden, können ihren Arbeitgeber auffordern, dass der Arbeitgeber ihnen innerhalb von sieben Tagen eine Niederschrift mit den o.g. wesentlichen Vertragsbedingungen aushändigt. Lediglich die Angaben über den Urlaub, die betriebliche Altersversorgung, die Pflichtfortbildung, die Verfahrensfragen zur Kündigung und geltende Kollektivvereinbarungen können auch innerhalb eines Monats nach Zugang der arbeitnehmerseitigen Aufforderung nachgereicht werden.

Änderungen im laufenden Arbeitsverhältnis

Eine Änderung der wesentlichen Vertragsbedingungen ist entgegen der vorherigen Fassung nicht mehr spätestens einen Monat nach der Änderung, sondern bereits an dem Tag des Wirksamwerdens schriftlich mitzuteilen. Dies gilt jedoch nicht bei einer Änderung der gesetzlichen oder kollektivrechtlichen Bestimmungen.

4. Drohendes Bußgeld bei Verstößen

Gänzlich neu ist nun auch die Aufnahme eines Bußgeldtatbestandes im Falle eines Verstoßes gegen die Regelungen aus dem Nachweisgesetz. Hiervon werden Fälle erfasst, in denen der Arbeitgeber seiner Nachweispflicht entweder überhaupt nicht, nicht richtig, in der falschen Form, unvollständig oder nicht rechtzeitig nachkommt.

Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu 2.000 € geahndet werden. Aus diesem Grunde sind Arbeitgeber mehr oder weniger gezwungen sich mit den Änderungen des NachwG auseinanderzusetzen, da etwaige Verstöße (leider) auch als (wohl unzulässiges) Druckmittel von Arbeitnehmern verwendet werden könnten, um bspw. Vergleichsverhandlungen in eine für sie günstige Richtung zu lenken.

III. Weitere Änderungen im AÜG, TzBfG und GewO

Darüber hinaus sind noch Änderungen im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) bzgl. der Angabe der Identität des Entleihers und einer entsprechenden textförmlichen Mitteilung vor Beginn der Überlassung festzustellen. Zudem wird dem Leiharbeitnehmer die Möglichkeit eingeräumt, seinen Wunsch nach Abschluss eines Arbeitsvertrages zu äußern und eine begründete Antwort in Textform innerhalb eines Monats zu erhalten.

Die Gewerbeordnung regelt in der neuen Fassung des § 111, dass der Arbeitgeber von dem Arbeitnehmer nicht die Erstattung der Kosten für eine erforderliche Fortbildung verlangen darf, wenn der Arbeitgeber durch Gesetz oder durch Kollektivvereinbarung dazu verpflichtet ist, eine solche anzubieten.

Das Teilzeit- und Befristungsgesetz wurde ebenfalls an mehreren Stellen geändert. Hervorzuheben ist eine Regelung zur Probezeit, die künftig im § 15 Abs. 3 zu finden sein wird.

Wird nämlich für ein befristetes Arbeitsverhältnis eine Probezeit vereinbart, so muss diese im Verhältnis zu der erwartenden Dauer der Befristung und der Art der Tätigkeit stehen. Was hierunter zu verstehen ist, bleibt fraglich und muss durch die Gerichte geklärt werden. Etwaige Angaben zu einem noch zulässigen prozentualen Verhältnis lassen sich der Gesetzesbegründung nicht entnehmen.

IV. Handlungsempfehlung und Ausblick

Die Änderungen des Nachweisgesetzes erhöhen den bürokratischen Aufwand für Arbeitgeber und schaffen aufgrund des eingeführten Bußgeldtatbestandes auch noch unerwünschte finanzielle Risiken.

Wenig nachvollziehbar ist auch die Beibehaltung der Schriftform, obwohl die EU-Arbeitsbedingungen-Richtlinie ohne Weiteres eine Unterrichtung in elektronischer Form ermöglicht. Die Schriftform, d.h. Unterrichtung in Papierform mit Originalunterschrift, steht der Digitalisierung der Arbeitswelt im Wege und wird von Arbeitgebern zu Recht kritisiert. Hier nimmt Deutschland leider weiterhin eine Ausnahmerolle ein und schafft – obwohl europarechtlich nicht gefordert – weitere Bürokratiehürden.

Arbeitgebern ist angesichts des drohenden Bußgelds zu empfehlen, dass bestehende Muster-Arbeitsverträge angepasst und entsprechende Informationsschreiben vorbereitet werden, um punktuell auch ohne Verzögerungen etwaige Anfragen von Arbeitnehmern zu den Arbeitsbedingungen bearbeiten zu können. Denn auch im Verzögerungsfalle wäre der Bußgeldtatbestand verwirklicht. Die Frist von sieben Tagen zwingt Arbeitgeber zur vorherigen Vorbereitung.

Unsere Praxisgruppe Arbeitsrecht steht Ihnen bei Fragen zur Verfügung und unterstützt Sie gerne bei der Anpassung Ihrer Muster-Arbeitsverträge und Erstellung von Informationsschreiben an Ihre Mitarbeiter.