Aussenhandelsrecht

Gerichtsstandsvereinbarung und Vollstreckung: der Brexit als Fußangel

Die Freude und Erleichterung waren groß, als, passend zum Weihnachtsfest, verkündet wurde, dass es eine Einigung zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich hinsichtlich der Handels- und Wirtschaftsbeziehungen für die Zeit nach dem Brexit gibt.

Bei näherer Analyse der Vereinbarung zeigt sich jedoch, dass diese nicht sämtliche Probleme aus der Welt schafft, die durch den Brexit hervorgerufen und in unseren verschiedenen Veranstaltungen zu diesem Thema bereits beleuchtet wurden. Zwei für die Praxis ganz wesentliche Aspekte bleiben problematisch:

1. Wie werden zukünftig Gerichtsurteile anerkannt und vollstreckt?
2. Was ist bei der Vereinbarung von Gerichtsständen zu berücksichtigen?

  1. Bis 31.12.2020:In der Zeit vor dem Brexit galt auch für das Vereinigte Königreich die sogenannte Brüssel Ia-Verordnung, die klare und einheitliche Regelungen für die gerichtliche Zuständigkeit, Gerichtsstandsvereinbarungen und die einfache Anerkennung und Vollstreckung von sowohl ausländischen Urteilen im Vereinigten Königreich als auch britischen Urteilen im Rest der EU festlegte. Diese Verordnung ist durch den Brexit im Verhältnis zum Vereinigten Königreich hinfällig geworden. Bereits unter der Brüssel Ia-Verordnung angestoßene Gerichtsverfahren bleiben vom Brexit unberührt.Welche Regelungen gelten also derzeit und worauf ist zu achten?
  2. Ab 01.01.2021:Glücklicherweise ist das Vereinigte Königreich Vertragsstaat des Haager Übereinkommens über Gerichtsstandsvereinbarungen von 2005. Dieses Übereinkommen regelt entgegen seinem Titel nicht nur Fragen der Wirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung, sondern enthält auch grundlegende Regeln zur Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen, die aufgrund einer solchen Gerichtsstandsvereinbarung ergangen sind. Es findet jedoch keine Anwendung auf eine Reihe von Rechtsgebieten, wie z.B. das Insolvenzrecht, die Beförderung von Reisenden und Gütern, Meeresverschmutzung, Beschränkung der Haftung für Seeforderungen, große Haverei sowie Notschlepp- und Bergungsdienste, gewisse Fragen des geistigen Eigentums und des UrheberrechtsHaben wir es jedoch mit einer Situation zu tun, in der die Parteien keine (wirksame) Gerichtsstandsvereinbarung im Sinne des Haager Übereinkommens getroffen haben, oder ist eine von dem Anwendungsbereich dieses Übereinkommens ausgenommenen Materie betroffen, stellt sich die Frage, wie zu verfahren ist. Die Wirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung wird ein Gericht dann nach seinem nationalen Recht prüfen. Für die Anerkennung und Vollstreckung dürfte das „Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen“ vom 14.7.1960 Anwendung finden. Die hier aufgestellten Regelungen sind jedoch weniger anerkennungs- und vollstreckungsfreundlich, als sie dies unter der Brüssel Ia-Verordnung waren.Sollte auch dieses Übereinkommen keine Anwendung finden, wäre die Anerkennung britischer Urteile über § 328 ZPO zu erwirken; ein Weg der erfahrungsgemäß schwierig und langwierig sein kann.Für die Fragen der Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung werden die Gerichte das bei Antragstellung geltende Prozessrecht anwenden. Daher ist insoweit irrelevant, wann der betreffende Vertrag geschlossen wurde, so dass auch schon vor dem Brexit bestehende Verträge betroffen sind, wenn sich jetzt aus diesen eine gerichtliche Auseinandersetzung entwickelt.

    Die Situation lässt sich spiegelbildlich auf die Anerkennung und Vollstreckung deutscher bzw. sonstiger europäischer Gerichtsurteile im Vereinigten Königreich anwenden. Auch hier gelten, sofern nicht bi- oder multilaterale Übereinkommen oder Konventionen greifen, die nationalstaatlichen Regelungen des Vereinigten Königreichs. Dies kann zur Folge haben, dass sich ein Urteil eines Gerichts eines europäischen Staates leichter oder schwerer im Vereinigten Königreich vollstrecken lässt als das Urteil eines anderen europäischen Staates. Insgesamt verlieren also die Beziehungen mit Unternehmen im Vereinigten Königreich an Rechtssicherheit.

  3. Besteht Hoffnung für Besserung?Einen Silberstreif am Horizont gibt es jedoch in Form des vom Vereinigten Königreich angestrebten Beitritts zum Lugano-Übereinkommen. Das Lugano-Übereinkommen ist den Regelungen der Brüssel Ia-Verordnung weitgehend ähnlich. Das Beitrittsgesuch der Briten ist jedoch von der Zustimmung der anderen Konventionsmitglieder abhängig und bisher ist jedenfalls seitens der EU wenig dafür getan worden, die Briten in den Genuss der Mitgliedschaft in dieser Konvention gelangen zu lassen. Auf absehbare Zeit ist also nicht davon auszugehen, dass die Regelungen zur Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung aus dem Lugano-Übereinkommen in Bezug auf das Vereinigte Königreich gelten.
  4. Handlungsempfehlung für die Praxis:Als Handlungsempfehlung ist daher die Vereinbarung einer ausdrücklichen Zuständigkeit staatlicher Gerichte wünschenswert, damit die Vorteile des Haager Übereinkommens von 2005 genutzt werden können. Um jedoch sicherzugehen, dass auch alle Rechtsgebiete erfasst sind, also auch die vom Haager Übereinkommen ausgenommen, ist die Vereinbarung einer Schiedsklausel im Vertrag eine sinnvolle Alternative.  Die Vollstreckung des Schiedsspruchs ist von der so genannten New Yorker Konvention von 1958, die außerhalb des EU-Rechts steht und 157 Vertragsstaaten hat, erfasst. Dabei ist es unerheblich, ob die Parteien die relativ teure Schiedsgerichtsbarkeit im Vereinigten Königreich in Anspruch nehmen, oder deutsche Schiedsgerichte wie beispielsweise nach den Regeln der GMAA (Germany Maritime Arbitration Association) oder der DIS (Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit) vereinbart werden. Letztere haben aus kontinentaleuropäischer Sicht den Vorteil eines relativ prozessökonomischen Verfahrens (z.B. kein aufwendiges Disclosure-Verfahren zur Ausforschung eines Sachverhalts) und sind in der Regel deutlich kostengünstiger.