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Der Stand des EU-Sanktions-Rechts im Mai 2022Ein Kommentar aus dem Blickwinkel des maritimen Wirtschaftsrechts

1. Hintergrund

Seit dem Einmarsch russischer Truppen in das Staatsgebiet der Ukraine Ende Februar 2022 sind mehrere Sanktionspakete in Kraft getreten, dabei sind auch Maßnahmen gegen Weißrussland erfolgt. Während die EU mit zahlreichen Maßnahmen durch Beschlüsse des Europäischen Parlaments und des Rates die Ukraine insbesondere finanziell und im Rahmen der Flüchtlingshilfe zu unterstützen sucht, stellen die Sanktionspakete restriktive Maßnahmen dar, die einem Weiterführen des Krieges durch wirtschaftliche Maßnahmen Einhalt gebieten sollen. Ziel der Sanktionspakete ist es dabei nach Angaben der EU, der russischen Wirtschaft die Möglichkeit entziehen, sich zu diversifizieren und zu modernisieren.

2. Überblick über die Sanktionspakete der EU

Deutsche Sanktionen in Bezug auf Russland und Weißrussland begründen sich in erster Linie durch EU-Recht. Verordnungen, die auf Grundlage von Beschlüssen des Rates der EU erlassen worden sind, gelten in Deutschland unmittelbar. Fünf Sanktionspakete sind durch den Rat der EU inzwischen beschlossen worden.
Die Vielzahl der von der EU beschlossenen Sanktionen ist nach Ländern aufgelistet überblicksartig erfassbar unter einer von der EU zur Verfügung gestellten Sanktionskarte. Diese ist derzeit abrufbar unter: sanctionsmap.eu/#/main.

3. Zentrale Regelungen

Mit den bisher beschlossenen Sanktionspaketen geht eine weitgehende Ausfuhrbeschränkung von Gütern und Technologien mit doppeltem Verwendungszweck, sprich auch einer möglichen militärischen Verwendung, sowie eines Verbots damit verbundener Dienstleistungen einher. Die EU-Rats VO 2022/328 ist hierbei zu benennen, die wie die nachfolgenden VO des Rates eine Änderung der grundlegenden EU-Rats VO 833/2014 darstellt. Sektorspezifisch sind Ausfuhrbeschränkungen für Güter und Technologien der Seeschifffahrt mit der EU- Rats VO 2022/394 eingeführt worden. Weitere VO zielen insbesondere auf Technologien und Dienstleistungen in der Energiewirtschaft sowie weiterer fortgeschrittener Technologien ab. Ferner sind mittlerweile allgemeine Ausfuhrgenehmigungen der EU für Ausfuhren nach Russland nicht mehr wie vormals nutzbar, so dass sich insgesamt für Exporteure eine weitgehende Beschränkung der Handelsmöglichkeiten mit Russland, Weißrussland und auch solchen Staaten ergibt, die russischem Einfluss unterliegen, ein besonderes Augenmerk liegt hierbei auf den Ländern der Eurasischen Wirtschaftsunion. An dieser Stelle ist ein Hinweis angebracht, dass eine Beteiligung bei Umgehungsgeschäften gemäß Art. 12 der EU-Rats VO 833/2014 ausdrücklich verboten ist.

Ganz grundsätzlich ist es zu empfehlen, dass für Ein- und Ausfuhrgeschäfte und jegliche Verträge daran zu denken ist, eine Sanktionsklausel zu vereinbaren. Die Sanktionsregeln, idealerweise nicht auf die EU-Sanktionsregeln beschränkt, sollten dabei als ein wesentlicher Bestandteil des Vertrages benannt werden. Der Vertragspartner sollte um Verpflichtungserklärungen ersucht werden zur Bestätigung, dass die Durchführung des Vertrages selbst nicht gegen Sanktionsrecht verstößt und den Vertragspartner für die Gestaltung zukünftiger Verträge, also etwa bei Weitergabe einer Sache, verpflichtet, von seinen zukünftigen Vertragspartnern eine gleichwertige Erklärung einzufordern. Die Europäische Kommission hat hierzu eine Mitteilung an Wirtschaftsakteure, Einführer und Ausführer erlassen (2022/C 145 I/01).

4. Kernthemen für EU Wirtschaftsakteure der Maritimen Wirtschaft

Die maritime Wirtschaft ist von einer ganzen Reihe von Regelungen betroffen, die es zu beachten gilt.

Zu denken ist an das weitreichende Verbot eines Anlaufens von Häfen in der EU durch ein Schiff, das die russische Flagge führt. Die entsprechende EU-Rats VO 2022/576 sieht dabei unter Artikel 3 ea auch eine Regelung vor, die nach dem 24. Februar 2022 von dieser Flagge ausgeflaggte Schiffe den von der Regelung erfassten Schiffen gleichstellt. Der Flaggenstatus am 24. Februar 2022 ist also immer maßgeblich und in der Praxis zu ermitteln.

Abs. 3 dieser Regelung benennt bestimmte eng umgrenzte Ausnahmetatbestände. Für die Erteilung von Ausnahmegenehmigungen ist das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) zuständig.

Infolge der EU-Rats VO EU 2022/394, der damit einhergehenden Änderung der EU-Rats VO 833/2014 und im speziellen der Regelung des Art. 3f Abs. 1 mit Verweis auf Anhang XVI ist es nicht mehr möglich, an natürliche und juristische russische Personen Schiffe, Systeme oder Ausrüstung der Meeres- und Schiffstechnik und besonders konstruierte Bestandteile hierfür, sowie Bestandteile und Zubehör zu veräußern. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass ein Veräußerungsverbot unabhängig von Beschränkungen eines auf sogenannten Sanktionslisten geführten Personenkreis besteht.

Noch einmal sei an dieser Stelle auf die Notwendigkeit einer Sanktionsklausel hingewiesen. Zwar findet sich eine Sanktionsklausel in der Bimco Shipsale 22- Form im Gegensatz zur Shipsale 2012- Form, allerdings finden damit noch nicht alle von der EU mittlerweile gesetzten Rahmenbedingungen Beachtung.

Parallel sind für alle Geschäftsbeziehungen die zuvor genannten Sanktionslisten zu beachten. Dies gilt für jeden Bürger der EU und umfasst weitreichende Formen einer möglichen Unterstützung. Einem Bürger der EU wird es so beispielsweise nicht möglich sein, als Mitglied der Crew einer unter die Sanktionsvorschriften fallenden Luxusyacht tätig zu sein, ohne gegen geltendes Recht zu verstoßen. Verbundene Geschäfte, etwa einer Crewing-Agentur, wären ebenfalls als sanktionswidrig zu bewerten. In diesem Zusammenhang sei auch erwähnt, dass es sanktionswidrig sein kann, beispielsweise ein russisches Besatzungsmitglied dann zu bezahlen, wenn das Konto bei einer den Sanktionen unterworfenen, vom SWIFT-Zahlungsverkehr ausgeschlossenen, Bank geführt wird.

Weil sie Symbole von großem Finanzvermögen und damit verbundenem wirtschaftlichen Einfluss sind, stehen Luxusyachten russischer Oligarchen oder diesen nahestehenden Personen und die Beschlagnahme derartiger Schiffe im besonderen Fokus der Öffentlichkeit.

5. Effektivere Durchsetzung der Sanktionsregelungen – das Sanktionsdurchsetzungsgesetz

Um identifizierte Lücken der Gesetzgebung zügig und vorübergehend zu schließen und eine effektive Durchsetzung bestehender Sanktionen zu ermöglichen, liegt nun der Entwurf eines Sanktionsdurchsetzungsgesetzes vor. In einem gesonderten Beitrag werden wir die Kernbereiche dieses Gesetzentwurfes darstellen.

6. Ausblick

Abschließend sei auf das sogenannte sechste Sanktionspaket eingegangen, das seit der Rede der Präsidentin der Europäischen Kommission vom 04. Mai 2022 zu erwarten ist. Auf die Einzelheiten vermutlich komplexer Übergangsregelungen für einzelne Mitgliedstaaten kann an dieser Stelle nicht eingegangen werden.

Öl, Medien, Erweiterung des Personenkreises der Sanktionslisten, mit diesen drei Rubriken lässt sich das sechste Sanktionspaket kurz skizzieren. Einfuhrverbote für russisches Öl auf dem Seeweg oder durch Pipelines stellen dabei für die wirtschaftlichen Beziehungen die weitreichendsten Maßnahmen dar.

Russischen Staatssendern sollen Sendefrequenzen in der EU entzogen werden. Militärs, denen für Gräueltaten in Butscha oder bei der Belagerung Mariupols besondere Verantwortung zugewiesen wird, sollen den Sanktionslisten zugefügt werden.

Einfuhrverbote für Öl auf dem Seeweg erlauben einen Hinweis für alle mit dem Import von Öl befassten Wirtschaftsakteure sowie Tankreedereien. Die Erfahrung mit den entsprechenden Sanktionen gegen den Iran und Venezuela lehren, dass besondere Vorsicht bei dem Umgang mit Öllieferungen geboten ist, die in Folge eines Ship-to-Ship Transfers (STS) auf einem Seeschiff transportiert werden. Es ist davon auszugehen, dass bereits bekannte Problemstellungen hinsichtlich der Nachvollziehbarkeit innerhalb der gesamten Lieferkette und entsprechender AIS-Daten der Seeschiffe sich in diesem Zusammenhang erneut stellen dürften. Auch im Rahmen derzeitig geltender Sanktionen ist für STS-Operationen höchste Vorsicht geboten. Ist die Verwendung nicht tatsächlich für die EU und fällt nicht unter die Ausnahmeregelung gemäß Art. 5aa, Abs. 3 der EU-Rats VO 833/2014, so kann es sich um verbotene Umgehungsgeschäfte handeln, wenn ein russisch geflaggtes Schiff oder ein den Sanktionen unterliegendes Unternehmen in die Lieferung einbezogen worden ist.

Für die Eigner beschlagnahmter Luxusyachten enthält der Entwurf des Sanktionsdurchsetzungsgesetzes neue Regelungen, die die Aussicht auf eine Weiterführung des bisherigen Lebensstils unwahrscheinlich machen.

Für Wirtschaftakteure in der EU kann die Nutzung rein formularmäßiger Verträge angesichts der weitreichenden Folgen, die mit der Verletzung von Sanktionen einhergehen können, nicht empfohlen werden. Vielmehr ist zu raten, Sanktionsklauseln immer gesondert gemäß aktuellem Stand durch Rechtsberater prüfen oder formulieren zu lassen. Die Ansprechpartner der Ahlers & Vogel Rechtsanwälte PartG mbB unterstützen gerne umfassend bei der Ausgestaltung und Umsetzung erforderlicher unternehmerischer Compliance.