Aussenhandelsrecht

Das zehnte Paket der EU-Russland-Sanktionen

1. Das 10. EU-Sanktionspaket gegen Russland-weitreichende Änderungen des EU-Sanktionsrechts

Symbolträchtig zum ersten Jahrestag des über die Annexion der Krim hinausgehenden und mit weiteren Verletzungen der territorialen Souveränität der Ukraine einhergehenden durch Russland begonnenen Angriffskrieges ist ein weiteres Paket der Wirtschaftssanktionen der EU gegen Russland in Kraft getreten. Dieses zehnte Sanktionspaket beschränkt sich nicht auf reine Symbolpolitik, sondern weitet die bestehenden Sanktionen erneut in einer Weise aus, die so umfassend ist, dass nur ausgesuchte Kernbereiche an dieser Stelle dargestellt werden sollen.

Im Vordergrund steht es weiterhin, die militärischen und technologischen Fähigkeiten russischer Kriegsführung zunehmend zu beschränken.

Hervorzuheben sind sowohl Erweiterungen handelsbezogener als auch personenbezogener Sanktionen, die zu Änderungen im Rahmen der jeweiligen Zuordnung unter den bestehenden EU-Verordnungen 833/2014 und 269/2014 geführt haben.

2. Handelsbezogene Sanktionen

Im Rahmen der umfassenden Regelungen zu weiteren handelsbezogenen Sanktionen rechtfertigen Exportbeschränkungen, die strategisch wichtige Industrieunternehmen treffen sollen, einen besonderen Hinweis. So wird nun der Export seltener Erdmetalle verboten. Auch halb- oder fertiggestellte elektronische Produkte finden Berücksichtigung. Beispielsweise untersagen die Regelungen den Export elektronisch integrierter Schaltungen und Wärmebildkameras. Übergangsregelungen bestehen für die Erfüllung von Verträgen, die vor dem 26. Februar 2023 vereinbart worden sind. Ebenfalls und mit der Zielrichtung, die Möglichkeiten Russlands einzuschränken, erhebliche Einnahmen durch den Export bestimmter Güter zu erzielen, ist die Liste der im Rahmen des Importverbotes gemäß Art. 3i) der EU-Verordnung 833/2014 zu beachtenden Güter erweitert worden. Zu benennen sind insbesondere Vaselin und kohlenstoffbasierte Wachse, Asphalt, Bitumen und Kohlenstoff sowie synthetisches Gummi, die entsprechenden KN- Codes werden in Anhang XXI der EU-Verordnung 833/2014 aufgeführt. Für Verträge, die vor dem 26. Februar 2023 vereinbart wurden, finden Altvertragsregelungen Anwendung.

3. Vermeidung von Umgehungsgeschäften

Beachtenswert sind Ausweitungen der Sanktionsbestimmungen zur Vermeidung von Umgehungsgeschäften. So umfasst die Verbotsnorm des Artikel 2 der EU-Verordnung 833/2014 neuerdings auch Transite von qualifizierenden Gütern via Russland. Neben dem generellen Verbot der Durchfuhr von Feuerwaffen nach der EU-Verordnung 258/2012 (Feuerwaffen-Verordnung) durch Russland (Art. 2aa Abs. 1a) gilt für die Durchfuhr gelisteter Dual-Use-Güter durch Russland der insoweit geänderte Art. 2 Abs. 1a, 3a, 4a der EU-Verordnung 833/2014. Für bestimmte, in engen Grenzen vorgesehene Ausnahmen, besteht eine Genehmigungspflicht. Zu betonen ist, dass darüber hinaus das generelle Verbot von Umgehungsgeschäften besteht. Umgehungsgeschäfte sind ein Kernelement eingeschränkter Wirksamkeit der Sanktionsregelungen und verdienen damit besondere Aufmerksamkeit staatlicher Gewalt. Werden beispielsweise aus Russland stammende Rohstoffe zunächst in einen Drittstaat exportiert und von dort unter falscher Angabe der Herkunft in die Europäische Union importiert, so fließen Gewinne aus der Veräußerung des Rohstoffes, der innerhalb der Europäischen Union verwendet wird, dennoch der russischen Wirtschaft und der sie prägenden oligarchischen Struktur zu. Während die extraterritoriale Wirkung US-amerikanischer Sanktionsregelungen eine gewisse abschreckende Wirkung beim Eingehen von Umgehungsgeschäften haben dürfte, so ist erstens festzustellen, dass den Sanktionsregelungen der Europäischen Union eine vergleichbare extraterritoriale Wirkung nicht zugedacht ist und dass sich zweitens insbesondere beim globalen Handel mit Rohstoffen Fragen hinsichtlich der Bestimmbarkeit der Herkunft stellen und damit einhergehende Herausforderungen, die Einhaltung der Sanktionsbestimmungen zu überwachen. Zu beachten ist, dass es Russland nach wie vor möglich ist, mithilfe aller nur denkbaren Verkehrsträger Güter in Drittstaaten zu exportieren. Entscheidend für die Wirksamkeit güterbezogener Handelsbeschränkungen stellt sich damit die Frage nach der Handhabbarkeit wirksamer Eindämmung von Umgehungsgeschäften, da ansonsten die Gefahr besteht, dass Güter lediglich über andere Transportwege gehandelt werden und die güterbezogenen Sanktionen nicht nur ins Leere laufen, sondern auch noch Preissteigerungen treiben, die zu ungewünschten Vermögensverschiebungen führen können, also insbesondere Gewinnen von Händlern in Drittstaaten, die an der Verschleierung der Herkunft der Güter mitwirken, und russischen Exporteuren.

Vergleichbar eingeschränkt ist die Verhinderung der Weitergabe über Drittstaaten von Exportgütern kontrollierbar. Artikel 12 der EU-Verordnung 833/2014 sieht ein Verbot dafür vor, sich wissentlich und vorsätzlich an Tätigkeiten zu beteiligen, mit denen eine Umgehung bezweckt oder bewirkt wird. Strafbarkeit setzt damit Wissen und Vorsatz voraus. Gerade bei verschleierten Herkunftsangaben ist es eine erhebliche Hürde, Wissen und Vorsatz nachzuweisen.

4. Schlaglicht auf einige Individualsanktionen

Im Rahmen des zehnten EU-Sanktionspakets hat die EU im Bereich der Individualsanktionen einige bemerkenswerte Neuerungen eingeführt. Unter den 87 weiteren Personen und 34 Organisationen, auf die die Individualsanktionen Anwendung finden, sind auch Personen, die nicht russische Staatsbürger sind, namentlich Iraner, die mit der Lieferung von Kampfdrohnen in Zusammenhang gebracht werden. Bisher, seit dem 12.12.2022, waren lediglich die islamischen Revolutionsgarden als Organisation sowie die mit der Herstellung und Entwicklung solcher Kampfdrohnen in Verbindung gebrachten Organisationen Oje Parvaz Mado Nafar Company (Mado) und Paravar Pars Company und seit dem 30.01.2023 die Iran Aircraft Manufacturing Industries Corporation als Organisationen gelistet, die ihren Sitz außerhalb russischer und ukrainischer Staatsgebiete haben. Im Rahmen des zehnten EU-Sanktionspakets ist nun noch eine in Dubai ansässige Organisation gelistet, die SUN Ship Management (D) Ltd. ist als Schiffsmanager für Sovcomflot prominent in Erscheinung getreten. Es ist davon auszugehen, dass für die entsprechenden Schiffe neue Schiffsmanager gefunden werden, sicherlich ist es für Akteure in der EU empfehlenswert, die weiteren Entwicklung auch in zukünftigen Sanktionspaketen zu verfolgen, um die Einhaltung der Sanktionsregelungen sicherzustellen.

Neben drei weiteren Banken (Alfa-Bank, Rosbank, Tinkoff Bank) findet sich unter den 34 Organisationen, die nun gemäß der EU-Durchführungsverordnung 2023/429 des EU-Rates vom 25. Februar 2023 entsprechend Individualsanktionen unterliegen, auch die russische nationale Rückversicherungsgesellschaft Russian National Reinsurance Company JSC (RNRC). Sie ist eine vom Staat kontrollierte russische Aktiengesellschaft und Tochtergesellschaft der Bank of Russia. Mittlerweile nimmt die RNRC eine zentrale Rolle ein für Versicherungen russisch geflaggter Schiffe und auch der Sovcomflot-Schiffe.

Gelistet ist nunmehr auch Atomflot, ein Unternehmen, das die russische Eisbrecherflotte unterhält. Damit soll insbesondere die russische Kohlenwasserstoffstrategie und die seeseitige Verbindung nach Asien getroffen werden.

Die Aufnahme in die Sanktionsliste hat gemäß Art. 2 der EU-Verordnung 269/2014 das Einfrieren sämtlicher in Eigentum oder Besitz der gelisteten Person oder Organisation befindlicher Gelder oder wirtschaftlichen Ressourcen zur Folge, hinzuweisen ist besonders auf die Anzeigepflicht gemäß Art. 8, der im Rahmen des 10. Sanktionspaketes durch die EU-Durchführungsverordnung 2023/426 des EU-Rates vom 25. Februar 2023 weiter ausdifferenziert wurde. Die in Deutschland zuständige Stelle für die Entgegennahme der Meldungen ist das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA). Die Meldepflicht ist mit einer kenntnisabhängigen Frist von zwei Wochen verbunden, innerhalb derer ihr nachgekommen werden muss. Gemäß des ebenfalls abgeänderten Artikels 6 b) der EU-Verordnung 269/2014 unterfallen der Meldepflicht auch bestimmte Vorgänge aus der Vergangenheit. An dieser Stelle ist ein Hinweis auf die weite Definition insbesondere des Begriffes „Gelder“ gemäß Art. 1 der EU-Verordnung 269/2014 zu erinnern. Konnossemente fallen beispielsweise hierunter oder auch bestimmte Erfüllungsgarantien. Im Fall dessen, dass beispielsweise zugunsten der Russian National Reinsurance Company JSC eine Sicherheitsleistung zur Befriedigung einer Forderung in der Vergangenheit gestellt wurde, ergibt sich damit die Notwendigkeit, diesen Umstand zu melden. Die Informationspflichten, die sich mit dem 10. Sanktionspaket verbinden, beinhalten besonders für Banken in Hinblick auf Wertpapiergeschäfte detaillierte Regelungen, die nicht lediglich zukünftige Geschäfte betreffen.

5. Stärkung der Schiffssicherheit

Das 10. EU- Sanktionspaket enthält nicht nur Ausweitungen der bestehenden Sanktionen, sondern auch gewisse Anpassungen und Erleichterungen. Die für die Schifffahrt und die Schiffssicherheit entscheidendste Regelung in diesem Zusammenhang dürfte die Einführung des Art. 5aa Abs. 3 h) betreffen, gemäß dem es ausdrücklich erlaubt ist, Lotsendienste für Schiffe in friedlicher Durchfahrt zu erbringen. Die Neufassung des Art. 12 d) hat insoweit klarstellenden Charakter.

6. Fokus auf den Schutz kritischer Infrastruktur

Die EU-Durchführungsverordnung 2023/427 des EU-Rates vom 25. Februar 2023 legt den Schutz kritischer Infrastruktur – in dieser Form- erstmalig fest.

Im Rahmen des neuen Art. 5 o) der EU-Verordnung 833/2014 ist es verboten, russischen Staatsangehörigen und in Russland ansässigen natürlichen Personen zu ermöglichen, Posten in den Leitungsgremien der Eigentümer oder Betreiber von kritischen Infrastrukturen, europäischen kritischen Infrastrukturen und kritischen Einrichtungen, die nach nationalem Recht als solche ermittelt oder ausgewiesen wurden, zu bekleiden. Die Verweisung in die einzelnen nationalen Rechte kann bei der Anwendung dieser Verbotsnorm zu Auslegungsfragen führen, welche Einrichtung jeweils nach nationalem Recht als Teil kritischer Infrastruktur „ermittelt oder ausgewiesen“ wurde. Daher ist grundsätzlich bei der Ausübung leitender Positionen durch russische Staatsangehörigen und in Russland ansässigen natürlichen Personen zu empfehlen, Obacht walten zu lassen und zu prüfen, ob die Einrichtung zur kritischen Infrastruktur gerechnet werden kann.

Auf Organisationen und Einrichtungen ausgeweitet kann Art. 5 p) als Ausprägung dieser generellen Bestimmung verstanden werden, demnach ist es verboten – mit Ausnahme zu Speicherzwecken genutzten Teilen von Flüssigerdgasanlagen – Gasspeicherkapazitäten bereitzustellen. Bereits eingegangene Verträge sind zu beenden, anderenfalls – sofern dargelegt wird, dass die Bereitstellung von Speicherkapazität zur Sicherstellung der kritischen Energieversorgung in der Union erforderlich ist – stehen die Verträge unter einem Genehmigungsvorbehalt.

7. Abzug von Investitionen

Eine zusätzliche Ausnahmeregelung ist mit der Neufassung des Art. 12 b) der EU-Verordnung 833/2014 in seiner die Dienstleistungsverbote des Art. 5 n) begrenzenden Wirkung geschaffen worden. Hintergrund ist, dass es einfacher möglich sein soll, Investitionen aus Russland abzuziehen. Für die Ausübung solcher Dienstleistungen ist unbedingt der bestehende Genehmigungsvorbehalt zu beachten.

8. Bewertung

Es handelt sich bei den EU-Sanktionen gegen Russland um robuste, ohne Präzedenz bestehende Regelungen, die mittlerweile eine intensive Detailtiefe kennzeichnet. Es ist begrüßenswert, dass die Sanktionen auch das Verbot ihrer Umgehung ausdrücklich benennen. Im internationalen Warenverkehr mit bestimmten Rohstoffen, deren Herkunft nicht leicht nachweisbar ist, sind Herausforderungen hinsichtlich der effektiven Umsetzung der Sanktionsregelungen erkennbar.

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