Das siebte Paket der EU-Russland- Sanktionen und die Black Sea Grain InitiativeNeuere Entwicklungen der Sanktionsvorschriften
- 11. August 2022
- Veröffentlicht durch: Marie-Theres Waldleben
- Kategorien: Außenhandelsrecht, Handels- und Wirtschaftsrecht, Schifffahrts- und Transportrecht
1.Wirtschaftsgüterbezogene Sanktionen
In Fortführung unserer vorherigen Beiträge zu den EU-Russland- Sanktionen soll das siebte Paket dieser Sanktionsmaßnahmen auszugsweise dargestellt werden. Der Stand der wirtschaftsgüterbezogenen Sanktionsvorschriften ist mittlerweile so detailliert, dass eine überblicksartige Darstellung nicht mehr gewährt werden kann, sinnvoller ist insofern ein dahingehender Verweis, für einzelne Güter grundsätzlich die bestehenden Sanktionsvorschriften zu analysieren. Grundsätzlich zu beachten ist dabei, dass zweckgebundene Ausnahmegenehmigungstatbestände bestehen, die ebenfalls zu berücksichtigen sind.
Die Hauptschlagzeile des siebten Paketes soll dennoch erwähnt werden. Sie ist nicht im Bereich des maritimen Wirtschaftsrechts zu verorten, sondern betrifft das Exportverbot des nach Energieexporten wichtigsten Exportgutes Russlands: Gold.
Ob ein Importverbot dieser leicht handelbaren Ware in die Mitgliedsstaaten der EU tatsächlich die Einnahmen Russlands aus dem Verkauf von Gold trifft, erscheint zumindest fraglich zu sein – für das Jahr 2021 werden China und Indien als zwei der drei größten importierenden Handelspartner benannt. Im derzeitigen politischen Spannungsfeld ist nicht auszuschließen, dass sich diese Wirtschaftsbeziehungen verfestigen. Das Sanktionspaket sieht ein Verbot des unmittelbaren oder auch mittelbaren Kaufs, der Einfuhr oder Verbringung vor. Vor Verabschiedung der Sanktionsregelung war eine Reduktion der Importzahlen in die Länder der EU zu verzeichnen. Eine den energierelevanten Rohstoffen vergleichbare Bedarfslage kennzeichnet den Handel mit Gold nicht. Aus Sicht Russlands muss die Absatzfähigkeit dieses Rohstoffes für das Generieren von Einkünften eine zunehmende Bedeutung erhalten bei schwindenden Absatzmöglichkeiten energierelevanter Rohstoffe. Inwieweit dies Auswirkungen auf die Preisentwicklung von Gold haben wird, ist schwer vorhersehbar und bleibt daher abzuwarten.
Für nicht zum Verkauf, sondern zur persönlichen Verwendung bestimmtes Gold sieht das Sanktionspaket eine Ausnahmereglung vor – ebenso für die amtliche Tätigkeit diplomatischer Missionen, konsularischer Vertretungen oder internationaler Organisationen in Russland. Für den Austausch von Kulturgütern ist ein Genehmigungsverfahren vorgesehen.
2. Änderung des Artikels 5aa
Eine im Zusammenhang mit dem Konflikt immer mehr in den Blickpunkt geratende Herausforderung stellt die global zunehmende Ernährungsunsicherheit dar. Dies wird im siebten Paket der Sanktionsmaßnahmen ausdrücklich benannt und Artikel 5aa der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 erhält entsprechend eine neue Fassung mit neuen Ausnahmetatbeständen, die einen zunehmenden Handel im Vergleich zu vorheriger Rechtslage ermöglichen. Güter, die der Versorgung mit Lebensmitteln und Medizinprodukten dienen, stehen dabei im Vordergrund. Für das Eingehen entsprechender Geschäftsbeziehungen ist das Einholen von Rechtsrat zu den Sanktionsmaßnahmen zu empfehlen. Zur praktischen Umsetzung entsprechender Handelstätigkeiten werden wir am Ende unseres Beitrages auch kurz auf die Rolle des Joint Coordination Centre (JCC) in Istanbul eingehen, weil sich hiermit für Unternehmen der maritimen Wirtschaft besondere Anforderungen verbinden.
Sozusagen in eigener Sache sei noch auf eine weitere wichtige Neuregelung hingewiesen, die ebenfalls in der neuen Fassung des Artikel 5aa der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 verankert ist. Ausdrücklich zugelassen sind damit solche Transaktionen, die zur Gewährleistung des Zugangs zu Gerichts-, Verwaltungs- oder Schiedsverfahren in einem Mitgliedstaat oder für die Anerkennung oder Vollstreckung eines Gerichtsurteils oder eines Schiedsspruchs aus einem Mitgliedstaat unbedingt erforderlich sind und mit den mit den Zielen der Verordnungen (EU) Nr. 833/2014 und (EU) Nr. 269/2014 im Einklang stehen.
3. Änderung des Artikels 3ea
Eine für die maritime Wirtschaft relevante Änderung ist der neue Artikel 3ea der Verordnung (EU) Nr. 833/2014.
In Ergänzung der bestehenden Restriktionen für unter russischer Flagge fahrende Schiffe, Häfen in der EU anzulaufen, sieht das siebte Paket der Sanktionsmaßnahmen nun vor, dass für einkommenden Schiffsverkehr Schleusen nicht mehr zur Verfügung gestellt werden dürfen. Auch hierbei ist ein Genehmigungsverfahren zur Erteilung von Ausnahmegenehmigungen vorgesehen. Grundsätzlich sind nicht nur direkte Handelsgeschäfte untersagt, sondern auch damit verwandte Dienstleistungen wie Finanzierung und Versicherung.
Wie detailliert diese Reglungen sind, lässt sich am besten beispielhaft an einem zunächst vielleicht weniger naheliegenden Fallbeispiel verdeutlichen. Ein Züchter von Rhododendren im Ammerland plant die Erweiterung seines Absatzmarktes nach Russland und möchte zur Finanzierung seiner Kapazitätserweiterung einen Firmenkredit aufnehmen. Das diesbezügliche Kreditgeschäft einer finanzierenden Bank wäre bereits sanktionswidrig, die Eingehung von entsprechenden Lieferverträgen ebenfalls, und zwar wegen Verstoßes gegen Art. 3k Verordnung (EU) Nr. 833/2014 in Verbindung mit Anhang VI.
Grundsätzlich ist also neben der Beachtung der Sanktionslisten bei Geschäften mit entferntestem Bezug zu Russland und/oder Weißrussland zu einer eingehenden Prüfung zu raten.
4. Weitere Anmerkungen
Die Liste der den Sanktionsmaßnahmen unterliegenden Personen ist erneut erweitert worden, insbesondere durch Hinzufügung verschiedener militärischer Funktionsträger, aber auch verschiedener wissenschaftlicher, kultureller und politischer Einrichtungen, Stiftungen und weiterer wirtschaftlich relevanten Institutionen und Unternehmen wie – als wohl bekanntestes Beispiel – die Sberbank.
Im Rahmen des politisch Gewollten finden sich wichtige Ausnahmeregelungen, so ist technische Hilfe und Zusammenarbeit mit russischen Institutionen zum Beispiel insofern erlaubt, als dass damit die Arbeit der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation (ICAO) zur Festlegung technischer Industrienormen aufrechterhalten werden kann.
5. Die Black Sea Grain Initiative
Mit dem Ziel, die weltweite Ernährungslage besser sicherstellen zu können, hat sich aus der Situation des bewaffneten Konfliktes zweier so wichtiger Exporteure von Getreide und auch Düngemittel die Black Sea Grain Initiative gegründet. Im Fokus steht dabei der Export dieser Güter per Schiff von den Häfen Odessa, Tschornomorsk und Juschne. Mit dem Ziel diese Transporte zu ermöglichen und zu koordinieren, ist das Joint Coordination Center (JCC) mit Sitz in Istanbul gegründet worden. Durch Berichte über entsprechende Schiffsbewegungen bemüht sich das JCC, Transparenz über weitere operationelle Entwicklungen zu schaffen. Der bestmöglichen Sicherstellung der Durchführung der Transporte dienend, hat die JCC Verfahrensvorschriften veröffentlicht, die unter den Maßgaben des Internationalen Übereinkommens von 1974 zum Schutz des menschlichen Lebens auf See und des Protokolls von 1988 zu diesem Übereinkommen, Safety of Life at Sea (SOLAS), Kapitel XI-2/11 und des Internationalen Codes für die Gefahrenabwehr auf Schiffen und in Hafenanlagen, International Ship and Port Facility Security Code (ISPS-Code), Part A, 4.2 und Part B, 4.26 verbindlich für das Ein- und Auslaufen der Schiffe sind. Die vom JCC veröffentlichten Verfahrensvorgaben sehen bestimmte Schutzrechte der Schiffe vor möglicher Gefährdung durch die bestehende Kriegslage und die Kriegsparteien vor.
Für die Planung entsprechender Reisen erläutern wir diese Maßgaben gerne ausführlicher.
Bei weitergehenden Fragen zum Thema stehen Ihnen unsere Experten im Außenhandelsrecht, Handels- und Wirtschaftsrecht sowie Schifffahrts- und Transportrecht gern zur Verfügung.