
Das 18. Paket der EU-Russland-Sanktionen
- 1. August 2025
- Veröffentlicht durch: Marie-Theres Waldleben
- Kategorien: Außenhandelsrecht, Handels- und Wirtschaftsrecht, Schifffahrts- und Transportrecht
Nach langen Verhandlungen hat die EU vergangene Woche mit dem nunmehr 18. Sanktionspaket die Sanktionen gegen Russland anlässlich des russischen Angriffskrieges in der Ukraine weiter verschärft. Diese Verhandlungen zogen sich insbesondere wegen einzelstaatlicher Interessen bei langfristigen Gaslieferungsverträgen mit Russland hin.
1. Maßnahmen zur Eingrenzung der Einnahmen Russlands aus dem Energiesektor
Die Einnahmen Russlands aus der Energiewirtschaft weiter zu beschränken ist eines der auffälligsten Ziele des 18. Sanktionspakets, das insgesamt erneut umfassend und vielschichtig konzipiert ist.
Bereits im Dezember 2022 beschloss die EU den sogenannten Ölpreisdeckel, der es verbietet, für den Verkauf, die Vermittlung oder den Transport von Rohöl mit Ursprung in Russland bestimmte Dienstleistungen – insbesondere Versicherungsleistungen und Vermittlungsleistungen – zu erbringen, wenn dieses Rohöl oberhalb der festgesetzten Preisgrenze gehandelt wurde (Art. 3n EU-Verordnung 833/2014). Nun hat die EU den Ölpreisdeckel verschärft, indem sie den zulässigen Höchstpreis pro Barrel Rohöl von USD 60,00 auf USD 47,60 reduziert hat (Anhang XXVIII der EU-Verordnung 833/2014). Die Preisgrenze für Rohöl soll regelmäßig so angepasst werden, dass dieser mindestens 15% unter dem Weltmarktpreis für Rohöl liegt.
Flankiert wird der Ölpreisdeckel nun durch das Verbot, Erdölerzeugnisse in die EU einzuführen oder zu kaufen, welche in einem Drittland aus russischen Rohöl gewonnen wurden. Dazu sei erwähnt, dass die Firma Nayara Energy Limited, die eine Raffinerie mit Sitz in Indien betreibt und sich zu 49 % im Eigentum von Rosneft, dem staatlichen Ölunternehmen Russlands befindet, nunmehr auf der Sanktionsliste unter Nr. 639 geführt wird. Hinzuweisen ist aber auch auf eine bemerkenswerte Ausnahmeregelung im Energiesektor, beispielsweise ist für Steinkohle aus Kasachstan in bestimmten Fällen eine Ausnahme vom Transaktionsverbot vorgesehen mit der Begründung, dass dies sonst negative Auswirkung auf die Energieversorgungssicherheit in Drittländern haben könne. Ähnliche Regelungen lassen sich nachzeichnen im Bereich ziviler nuklearer Energienutzung.
Ein potenziell einnahmestarkes Geschäftsfeld unterliegt dem Transaktionsverbot und ist besonders hervorzuheben, weil es auch mediale Aufmerksamkeit erhalten hat: Erdgaslieferungen über die Pipelines Nord Stream und Nord Stream 2 werden nicht einfach möglich werden, weil die derzeit nicht betriebsfähigen Pipelines nicht wieder instandgesetzt werden dürfen; sämtliche Transaktionen, die die Fertigstellung, den Betrieb, die Wartung oder Nutzung der Pipelines oder Teilen von ihnen betreffen, sind verboten.
2. Verschiedene Schattenflotten-Akteure gelistet
Wie bereits beim 17. Sanktionspaket standen auch bei dem 18. Sanktionspaket wieder die russische Schattenflotte und die maritime Wirtschaft im Fokus der EU-Gesetzgeber. Insgesamt hat die Europäische Union im Rahmen des 18. Sanktionspakets Listungen von weiteren 14 Personen und 40 Gesellschaften bzw. Organisationen vorgenommen. Gelistet wurden dabei insbesondere verschiedene Akteure der Schattenflotte:
Zunächst wurde die gelistete Schiffsflotte um 105 Schiffe erweitert, die zwischenzeitlich identifiziert werden konnten, zur Flotte derjenigen Schiffe zu gehören, die sich an sanktionswidrigem Handel beteiligen. Nunmehr hat sich die Zahl der durch die EU gelisteten Schiffen auf 444 erhöht. Es ist insbesondere verboten, diesen Schiffen – direkt oder indirekt – Zugang zu Häfen oder Schleusen zu gewähren, für diese Schiffe Dienstleistungen zu erbringen, oder diese Schiffe zu erwerben, zu verkaufen, verchartern oder zu betreiben (Art. 3s EU-Verordnung 833/2014).
Darüber hinaus findet sich mit LLC Volgotrans ein Betreiber von Tankschiffen in Russland, sowie verschiedene Dienstleister in den Vereinigten Arabischen Emiraten, Twister Shipmanagement LLC-FZ alias Starfish Ship Management LLC-FZ, Tarabya Logistics Ltd, Monolink Group FZCO , 2Rivers DMCC und 2Rivers PTE Ltd, beide im Eigentum von Vetus Investments, Milavous Group Ltd, alias Milavous Group oder Milavus Group, Admiral Group, alias Admiral Group Shipping Company.
Wir hatten bereits über den aufsehenerregenden Zwischenfall mit dem Schiff „JAGUAR“, IMO Nr. 9293002, berichtet. Mittlerweile lautet der Name des Schiffes „ARGENT“. Sein indischer Kapitän ist nunmehr auch auf den Sanktionslisten geführt. In der Begründung zu dieser Listung wird hervorgehoben, dass das von ihm geführte Schiff ohne vertrauenswürdigen Haftpflichtversicherungsschutz fahre. Es handele sich zudem um das einzige von Sapang Shipping Inc als Eigentümer und Schiffsmanager und der Gesellschaft Zhu Jiang Shipmanagement Co., Ltd als technischem Manager verwaltete Schiff, was darauf hindeute, dass es unter intransparenter unternehmerischer Leitung stehe. Die Sapang Shipping Inc, eine Gesellschaft auf Mauritius, ist ebenfalls gelistet, ebenso wie ihr Dienstleister Redbird Corporate Services Ltd und die in Hongkong registrierte Zhu Jiang Shipmanagement Co., Ltd.
Ebenfalls in Hongkong ansässig und nunmehr gelistet ist die Bellatrix Energy Limited, alias Bellatrix Energy oder BX Energy Ltd. Die Begründung der Listung führte aus, dass dieses Unternehmen Teil eines Netzwerkes aus Unternehmen sei, die die Lieferung und die Ausfuhr von russischem Erdöl, insbesondere von Rosneft, ermöglichen und rund um die vorgenannte 2Rivers Group organisiert seien. Anteilseigner hätten dieselbe Anschrift in Dubai und es sei von einer Umgehung der Sanktionsregelungen auszugehen durch ship-to-ship transfers.
Beschäftigt man sich mit den Begründungen der Listungen, wird deutlich wie viel investigative Arbeit sich in ihrer Vorbereitung mit den Sanktionspaketen verbindet. Dies ist besonders vor dem Hintergrund zu begrüßen, dass nur so ermöglicht werden kann, effektive Regelungen zu konzipieren. Andererseits verdeutlicht dieser Umfang an Erkenntnissen auch die Erwartungen, die an die Wirtschaftsakteure der EU im Rahmen ihrer Due Diligence und Compliance gestellt werden dürften.
Die Vereinigten Arabischen Emirate hatten sich schon als Zufluchtsort russischer Luxusyachten einen Namen gemacht. Insofern kann es nicht überraschen, dass sich dort auch ein Hotspot von Unternehmen befindet, die in Zusammenhang mit sanktionswidrigen Ölgeschäften gebracht werden können.
Die Vielzahl an Nationalitäten, die sich auf den Sanktionslisten mittlerweile finden lässt, ist besorgniserregend, weil sie verdeutlicht, wie wenig effektiv das EU-Sanktionsrecht bei bestehenden Umgehungsmöglichkeiten ist. Die Russland gegenüber freundlich gesinnten Staaten sind andererseits nicht so zahlreich, dass sich Russland eine besonders komfortable operative Matrix bietet, um seine Interessen an der Durchbrechung des Ölpreisdeckels durchzusetzen. Entscheidend – darauf hatten wir bereits einen unserem Beitrag zum 17. Sanktionspaket hingewiesen – ist die Positionierung der ölimportierenden Staaten, die sogenannten BRIC-Staaten sind dabei besonders zu beachten.
Auch kleinere Staaten sind erwähnenswert. Einer dieser Staaten ist Gabun. Er hat sich im maritimen Sektor als ein Staat der „Schattenflottenflagge“ hervorgetan und das 18. EU Sanktionspaket hat sich dieser Problematik angenommen: Gelistet wurde die Gesellschaft, die das internationale Flaggenregister von Gabun und von den Komoren betreibt, welche nach Kriegsbeginn „Schattenflotten“-Schiffe eingeflaggt und so dazu beigetragen haben, dass die Listung des russischen Registers und die Verbannung russisch geflaggter Schiffe aus der EU zunächst weniger effektiv war.
Neben den bereits erwähnten Unternehmen aus den Vereinigten Arabischen Emiraten wurden iranische und aserbaidschanische Geschäftsleute und Unternehmen mit Sitz in Hongkong und Singapur gelistet, deren Tätigkeit sich nachweislich ebenfalls auf russische Ölgeschäfte erstreckte und die von Relevanz für wirtschaftliche Erfolge dieser Geschäfte waren, indem sie die Herkunft russischer Rohöl- und Erdölerzeugnisse verschleiert haben, etwa durch Vermischung und ship-to-ship transfers.
Mit der Listung dieser Gesellschaften und einzelner Personen verbindet sich vielleicht nicht direkt die Hoffnung, dass diese Personen ihre Tätigkeiten in einem lukrativen Marktumfeld direkt einstellen. Dennoch ist es sicherlich ein richtiges Signal mit der Listung zu zeigen, dass diese Tätigkeiten nicht einfach hingenommen werden. Da zu erwarten ist, dass diese Personen möglicherweise neue Vehikel entwickeln, um weiter Geschäfte in diesem Umfeld durchzuführen, ist zur Vermeidung einer Beteiligung an Umgehungsgeschäften bei Geschäftspartnern, die mit den gelisteten Personen in Zusammenhang gebracht werden können, besondere Vorsicht geboten.
Im Zusammenhang mit Sanktionsumgehungen hat die EU weitere Personen und Organisationen gelistet: Unter anderem chinesische Staatsangehörige, die an der Umgehung von Sanktionen beteiligt waren. Wie aus der Presse bekannt ist, hat sich die Regierung in Peking deshalb veranlasst gesehen, ihrerseits Sanktionsmaßnahmen gegen die EU zu richten oder diese zumindest anzudrohen. Diese Entwicklungen machen einmal mehr deutlich, wie wichtig es ist, dass Wirtschaftsakteure sowohl für strategische Entscheidungen als auch auf der Ebene unternehmensinterner Compliance geopolitische Entwicklungen und die Maßnahmen des Sanktionsrechts fest im Blick behalten müssen.
3. Maßnahmen in sonstigen Bereichen
Die als SWIFT-Ausschluss bekannte Maßnahme (Art. 5h EU-Verordnung 833/2014) ist zu einem umfassenden Transaktionsverbot erweitert worden. Dieses erstreckt sich auf mehr als 20 weitere Finanzinstitute in Russland und zwar ab dem 9. August 2025. Für alle Transaktionen mit russischen Banken, etwa die Zahlung von Heuer für russische Seeleute, ist daher dringend die Prüfung zu empfehlen, ob eine dieser Banken und/oder ein mit diesen Banken in Verbindung stehendes Finanzinstitut Finanzmittel erhält. In diesem Fall sind Zahlungen zu vermeiden. Dabei wird ein wesentlicher Punkt der Prüfung nicht einfach von sogenannten Sanktionstrackern zu erkennen sein. Denn im Rahmen der Compliance und unter Beachtung des Artikels 5aa EU-Verordnung 833/2014 wird gefordert, das Transaktionsverbot auch wirksam gegenüber Töchtern der gelisteten Banken einzuhalten.
Dabei hat eine Prüfung zu erfolgen, ob es sich bei einem Unternehmen innerhalb oder außerhalb Russlands um ein Tochterunternehmen einer gelisteten Person oder Entität handelt. Um hier die richtige Bewertung vornehmen zu können, spielen Faktoren wie die unmittelbare oder mittelbare Erlangung von Genehmigungen, die Tochterunternehmen gemäß unternehmensinternen Vereinbarungen oder anderen rechtlichen Anforderungen möglicherweise von einem gelisteten Unternehmen einholen müssen, sowie die Ausführung von deren Anweisungen, unmittelbar oder mittelbar, eine wesentliche Rolle. Um diese Bewertung vorzunehmen sind daher Prüfungen sowohl von gesellschaftsrechtlichen Strukturen als auch rechtlichen Vorgaben erforderlich. Diese Prüfungen werden absehbar entweder hausinterne Compliance-Spezialisten oder beauftragte Rechtsanwälte beschäftigen.
Das 18. EU Sanktionspaket begegnet mit einer Ausweitung des Transaktionsverbots gegenüber Nutzern des Systems zur Vermittlung von Finanznachrichten der Zentralbank Russland („SPFS“) zudem der Untergrabung Russlands von Sanktionsmaßnahmen, die die Entkopplung vom SWIFT-System vorsahen. Ein Unternehmen, das SPFS nutzt, unterliegt dem Transaktionsverbot. An dieser Stelle muss darauf hingewiesen werden, dass davon sowohl unmittelbare als auch mittelbare Transaktionen erfasst sind. Die Prüfungen, wer möglicherweise auch nur mittelbar Empfänger von Leistungen ist, wird damit insgesamt und insbesondere im Finanzsektor aufwendiger.
Außerdem wurde Artikel 5aa der EU-Verordnung 833/2014 neu gefasst und enthält nunmehr eine Ausnahmeregelung, die es den zuständigen Behörden ermöglicht, Ausnahmen für auf dem Gebiet der Europäischen Union niedergelassene Organisationen zu schaffen, für die das erweiterte Transaktionsverbot ansonsten gelten würde. Das Konzept ist dabei so gestaltet, dass diesen Unternehmen eine öffentlich-rechtliche Treuhandschaft oder eine ähnliche öffentliche Firewall-Maßnahme auferlegt werden soll, wodurch ermöglicht wird, sie nicht unter das Transaktionsverbot fallen zu lassen. Ob eine Organisation diese Voraussetzung erfüllt, ist also ebenfalls ein relevanter Punkt für rechtliche Prüfungen, ob eine Transaktion mit der entsprechenden Organisation möglich ist.
Im Zuge der Ausweitung der Russland-Sanktionen hat die EU auch weitere Sanktionen gegen Belarus verhängt. So wurde auch gegenüber Belarus der SWIFT-Ausschluss ausgeweitet zu einem vollständigen Transaktionsverbot. Zudem wurde die Einfuhr von Rüstungsgütern mit Ursprung oder aus Belarus verboten (Art. 1aa VO EG 765/2006) und die güterbezogenen Sanktionen ergänzt.
4. Bewertung
Bei dem 18. Sanktionspaket handelt es einmal mehr um ein umfassendes und teilweise mit beeindruckender Präzision erarbeitetes Maßnahmenpaket, um den Sanktionen der EU mehr Effektivität zu verleihen. Während die Herabsetzung des Ölpreisdeckels unmittelbar auf das Volumen der Einnahmen Russlands aus dem Energiesektor abzielt, sind einige weitere Maßnahmen eher als Reaktion auf Mechanismen zu verstehen, die seitens Russlands entwickelt wurden, um die bestehenden Sanktionsregelungen zu unterlaufen. Dabei ist insbesondere an das erweiterte Transaktionsverbot, aber auch alle Maßnahmen gegenüber Schiffen und im maritimen Geschäftsumfeld agierenden Personen und Organisation zu denken, die für Einnahmen Russlands durch Betrieb der Schiffe der Schattenflotte sorgen.
Zu erwarten ist, dass der Druck auf Russland wächst, sich auf neuen Wegen Schiffstonnage zu sichern. Daher ist aus unserer Sicht in diesem Bereich und beim Verkauf von Tonnage besondere Vorsicht geboten.
Wichtig – insbesondere für Unternehmen der maritimen Wirtschaft – ist es, das erweiterte Transaktionsverbot im Blick zu behalten, um beispielsweise sicherzustellen, dass keine Zahlung an eine gelistete Bank oder ein Tochterunternehmen fließt. Für Akteure der maritimen Wirtschaft bedeutet das 18. EU Sanktionspaket also erneut besonders achtsam zu sein, um eine Einhaltung der Sanktionsvorschriften zu gewährleisten.
Angesichts der Detailtiefe der Regelungen ist für den Fall identifizierten Beratungsbedarfes an die Einholung von Rechtsrat zu denken, überblicksartige Veröffentlichungen können nicht die Beratung im Einzelfall ersetzen. Dies gilt auch für diesen Beitrag.
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