Handels-u-Wirtschaftsrecht

Das 17. Paket der EU-Russland-Sanktionen

1. Das 17. EU-Sanktionspaket gegen Russland- weitere Änderungen des EU-Sanktionsrechts im Überblick

Am 20. Mai 2025 haben die Staaten der EU die bestehenden Sanktionsmaßnahmen in Reaktion auf den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands auf das Staatsgebiet der Ukraine erneut verschärft.

Parallel hierzu verschärfte auch das Vereinigte Königreich erneut seine Sanktionen gegenüber Russland weitreichend und hob in der Begründung hervor, dass Russland den Krieg mit unverminderter Härte auch gegen die ukrainische Zivilbevölkerung fortsetzt, die britische Regierung bemerkte, an einem einzigen Tag seien 273 Attacken durch russische Drohnen verzeichnet worden.

Das neue EU-Sanktionspaket sieht unter anderem die Listung weiterer Schiffe vor, die der sogenannten Schattenflotte zugeordnet werden.

Wir hatten bereits in unserem Beitrag vom 5. Februar 2025 und unseren Ausführungen zum 15. EU-Sanktionspaket unter vergleichender Betrachtung der US-amerikanischen Sanktionsmaßnahmen darauf hingewiesen, dass eine Ausweitung der Listung von Schiffen begrüßenswert wäre. Insofern halten wir die jetzt getroffenen Maßnahmen für eine konsequente Umsetzung weiterer Ermittlungstätigkeiten der jeweiligen Behörden, die es zulassen die nun gelisteten Schiffe der Schattenflotte zuzuordnen.

Unter Verweis auf unsere Ausführungen zum 12. EU-Sanktionspaket ist dabei zu betonen, dass diese Ausweitung der Sanktionslisten besonders begrüßenswert vor dem Hintergrund ist, dass die Zuordnung eines Schiffes zur Schattenflotte zunächst mit gewissen Unschärfen verbunden sein kann. Der Ausweitung der Sanktionslisten hat insofern klarstellenden Charakter. Mit dem 17. EU-Sanktionspaket sind 189 weitere Schiffe gelistet worden, die Anzahl beläuft sich daher insgesamt auf nunmehr 342 Schiffe.

Es kann mit Sicherheit gesagt werden, dass damit längst nicht alle Schiffe erfasst sind, die tatsächlich als Teil der sogenannten Schattenflotte neue Herausforderungen für die Staatengemeinschaft darstellen.

2. Hintergrund: Umgehung der Sanktionen und des Ölpreis-Caps

Tanker der Schattenflotte werden eingesetzt, um das mit den Sanktionen der EU und des weiteren Kreises der Koalition der Staaten, die ein Ölpreis-Cap gegenüber Russland durchsetzen wollen, verbundene Verbot zu umgehen, russisches Öl, dessen Preis dieses Cap übersteigt, zu transportieren oder zu kaufen.

Die Maßnahmen sind dabei so weit gefasst, dass sie eine Versicherung nach üblichen Standards westlicher Prägung ausschließen.

Die Überlegungen zum Ölpreis-Cap stehen seit jeher in dem Zwiespalt auf der einen Seite das Handeln mit russischem Öl nicht völlig zu untersagen, um so den Ölpreis nicht noch in die Höhe zu treiben und auf der anderen Seite dem Bestreben, die Einnahmen Russlands aus Ölgeschäften zu reduzieren, sodass Russland weniger finanzielle Mittel für Militärausgaben bereitstehen.

Die Existenz der Tanker der Schattenflotte verdeutlicht, wie kompliziert es ist, diesen Markt zu beeinflussen jenseits der ihm eigenen Gegebenheiten von Angebot und Nachfrage. Obwohl die mit der Schattenflotte einhergehenden Risiken für alle Küstenstaaten auf der Hand liegen, scheint dieses Risiko einigen Staaten in der Abwägung nicht zu hoch zu sein gegenüber wirtschaftlichen Verlusten, die mit einem Ausbleiben russischer Öllieferungen verbunden wären.

Ansonsten ließe sich nicht erklären, warum sich die Schattenflotte so auf den Weltmeeren bewegen kann, wie sie es derzeit tut.

Die wirtschaftlichen Begleiterscheinungen der Existenz der Schattenflotte liegen auf der Hand. Daher möchten wir an dieser Stelle nur kurz der Vollständigkeit halber erläutern, dass sich selbstverständlich Wettbewerbsverzerrungen und höhere Gewinnmargen damit verbinden, nicht ordnungsgemäß gewartete Sub-Standardtonnage einzusetzen, die zudem mutmaßlich mit erheblich geringeren Kosten für Versicherungen behaftet ist. Demgegenüber steht ein höheres Risiko für Küstenstaaten und ihre Steuerzahler mit den Folgen einer Ölkatastrophe ohne geeignete Regressmöglichkeiten konfrontiert zu werden.

Dieser offensichtliche Interessenkonflikt kann beim Thema Schattenflotte auch nicht mehr losgelöst von weitreichenden geopolitischen Herausforderungen betrachtet werden.

Gerade angesichts dessen, dass die wichtigste Route dieser Tanker dabei durch die Ostsee und die Meerengen des Öresunds und Großen Belts führt, rechtfertigt es zu überlegen, ob es entweder bereits Mechanismen gibt, diesem riskanten Treiben Einhalt zu gebieten oder wie sich alternativ solche Mechanismen entwickeln ließen.

3. Eskalationspotenzial

Eine eingehendere Betrachtung rechtfertigt sich auch vor dem Hintergrund jüngster Zwischenfälle, die das erhebliche Eskalationspotenzial im Umgang mit Tankern der Schattenflotte verdeutlicht haben. Russland hat in einer Stellungnahme rund um die Geschehnisse mit dem Tanker „Jaguar“ und die Verletzung von NATO- Luftraum durch einen SU-35 Kampfjet argumentiert, es handele sich um die Abwehr von Piraterie, um so sein Verhalten zu rechtfertigen.

Diese Argumentation führt ersichtlich in die Irre, da nicht erkennbar ist, wie sich das mit dem Vorwurf der Piraterie einhergehende Merkmal privater Gewinnabsichten mit einer Überprüfung des Schiffes „Jaguar“ verbinden sollte. Estland hatte diesen Tanker inspizieren wollen, weil er ohne Flagge gefahren sein soll. Wir werden auf die damit einhergehenden Fragen, die sich mit der Beurteilung internationalen Seerechts verbinden, in diesem Beitrag detaillierter eingehen. Denn die Schlagzeilen, die einzelne Tankschiffe betreffen, nehmen erkennbar zu und lassen ein erhebliches Eskalationspotenzial erkennen.

Ebenfalls Estland betreffend sei an das Festhalten des Tankers „Kiwala“ erinnert, ohne Flagge soll dieser Tanker auf dem Weg nach Ust-Luga unterwegs gewesen sein, wo er zwischenzeitlich angekommen ist. Dort, in Ust-Luga havarierte ein mit 130.000 t Öl beladener Tanker, „Koala“, mit mehreren Explosionen im Maschinenraum des Schiffes und anschließendem Wassereinbruch.

In Deutschland hat die Reise des Tankers „Eventin“ für erhebliche Schlagzeilen gesorgt und aus Russland sind Maßnahmen gegen den Tanker „Green Admire“ bekannt geworden, ein unter liberianischer Flagge fahrendes und griechischen Eignerinteressen zugeordnetes Schiff.

Nachdem im Ostseeraum vermehrt Sabotageakte an sensibler Infrastruktur, insbesondere Unterseekabeln, zu verzeichnen sind, haben die NATO-Staaten die Operation Baltic Sentry begonnen, dessen Hauptaugenmerk dem Schutz maritimer kritischer Infrastruktur gilt.

Nicht nur die Vorkommnisse rund um den von Finnland beschlagnahmten Tanker „Eagle S“ und die Beschädigung von Unterseekabeln durch einen Anker, auch die Beschädigung eines Datenkabels zwischen Schweden und Lettland und jüngst ein weiterer Einsatz der polnischen Marine nach verdächtigen Manövern eines Tankers in der Nähe eines Stromkabels verdeutlichen, welche Brisanz sich mit dem Einsatz der Schattenflotte verbindet.

4. Überlegungen zum internationalen Seerecht

Angesichts des Verhaltens Russlands und der Staaten, die das größte Interesse an Ölimporten aus Russland auch jenseits der Grenzen des Ölpreis-Caps haben, kann in Bezug auf die Schattenflotte der Eindruck entstehen, die Hohe See sei ein rechtsfreier Raum. Das ist nicht so. Wie m Wörterbuch des Völkerrechts und der Diplomatie von Meurer ausgeführt wurde, ist das Meer frei von Gebietshoheit, aber nicht von Rechtshoheit.

Von zentraler Bedeutung ist heutzutage das 1982 verabschiedete Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (SRÜ), dass von 170 Staaten ratifiziert wurde, inklusive Russland, China und Indien.

Grundzüge dieses Übereinkommens sind verschiedene Regelungsbereiche, die einen Ausgleich der Interessen der Küstenstaaten und anderer Staaten gewährleisten sollen. Dabei unterscheidet das SRÜ zwischen dem Küstenmmer und der auschliesslichen Wirtschaftszone einerseits und den Rechten auf Hoher See andererseits.

Für Fragestellungen rund um die Schattenflotte bedeutet dies, dass sie teilweise unter Gesichtspunkten des Regelungsbereiches zu beurteilen sind, die ihre Fahrt auf hoher See betreffen, teilweise des Regelungsbereiches von Küstenmeer und AWZ. Je nachdem wo sich das Schiff befindet, ist daher zu beurteilen, ob es sich um die Ausübung der Freiheit der Schifffahrt nach Art. 87 SRÜ oder des Rechtes der friedlichen Durchfahrt handelt.

Unumstritten ist, dass ein Staat Durchfahrtsrechte nicht zu gewähren hat für Schiffe, die nicht friedlich das Meer befahren. Verschiedene Sabotageakte können je nach Absicht so eingeordnet werden, dass ein Recht besteht, diese Schiffe festzuhalten. Ein solches Recht lässt sich aber bei einem friedlich durchfahrenden, jedoch nicht ordnungsgemäß gewarteten und gemäß üblichem Standard versicherten Tanker nicht herleiten, solange ein solcher Tanker keinen Hafen anläuft, wo er der Hafenstaatkontrolle unterliegen würde.

Damit ist ein Kernbereich der Problematik hinsichtlich der Schattenflotte angesprochen. Sämtliche Sicherheitskonzepte, die international vereinbart worden sind, basieren nicht nur darauf, dass ein Flaggenstaat für eine wirksame Umsetzung dieser Konzepte sorgt, sie sehen auch vor, dass die Hafenstaaten effektiv ihre Kontrollrechte ausüben.

Diese Regelungen entsprechen an sich auch den Interessensphären der Staaten, denn die Hafenstaaten können kein Interesse an einer Ölkatastrophe vor ihren Küsten haben.

Der Bedarf an Öl offenbart jedoch eine andere Handhabung üblicher Hafenstaatkontrolle und Importerfordernisse durch ölimportierende Staaten. Damit ist einem gefährlichen Gleichklang Tür und Tor geöffnet, nämlich einer systematisch erscheinenden Vernachlässigung flaggenstaatlicher Aufgaben zur effektiven Umsetzung von Schiffssicherheitsbestimmungen bei gleichzeitigem Ausbleiben effektiver Hafenstaatkontrollen. Deshalb kann man das Passieren von Tankern der Schattenflotte durch den Öresund und Großen Belt tatsächlich als eine tickende Zeitbombe begreifen. Ein Hoffnungsschimmer, dass Unglücke nicht bewusst verursacht werden, verbindet sich mit dem Wert der jeweiligen Schiffsladung; für Russland ist es wichtig, dass dieser Trade so funktioniert.

Es ist im Rahmen des SRÜ‘s zu bemerken, dass die Freiheit der Hohen See und damit die Freiheit der Schifffahrt nicht eine absolute Freiheit ist, anders ausgedrückt immanente Schranken bei der Ausübung der Freiheit zu beachten sind.

Kodifiziert ist dies in Art. 87 Abs. 2 SRÜ, dementsprechend stellt sich die Frage, ob die derzeitige Praxis der Öltransporte durch Tanker der Schattenflotte unter gebührender Berücksichtigung der Interessen anderer Staaten stattfindet.

Im Rahmen unserer Ausführungen zum 16. Sanktionspaketes der EU hatten wir bereits auf die Resolution A. 1192 der IMO vom 6. Dezember 2023 hingewiesen, die einen Anhaltspunkt zur Beantwortung dieser Fragestellung gibt.

Stand heute stellt die Schattenflotte eine Gefahr für die Sicherheit des Seeverkehrs und die Umwelt dar. Wir sind bereits im Rahmen unserer Ausführungen zum 12., 15. und 16. EU-Sanktionspaket auf die Herausforderungen mit der Schattenflotte eingegangen.

Eine rechtliche Klärung herbeizuführen vor dem Internationalen Seegerichtshof in Hamburg über Rechte, die einzelne Staaten angesichts der bewussten Verletzungen und Umgehungen der Bestimmungen des Seerechtsübereinkommens durch Nutzung dieser Flotte gegenüber einzelnen Schiffen ausüben können, ist nicht realistisch. Zum einen wären Klagen gegen den Flaggenstaat eines bestimmten Schiffes zu richten, dies wäre für Russland zunächst ohne Belang. Zum anderen und trotz der Bemühung der IMO eine Definition im Rahmen der Resolution A. 1192 bereitzustellen, wird es im Einzelfall immer zu überlegen sein, ob ein bestimmtes Schiff, gegen das Maßnahmen gerichtet sind, der Schattenflotte zuzurechnen ist. Ob die Listung der EU hierfür auch nur indizierende Wirkung entfalten könnte, ist nicht erkennbar.

Geboten scheint es daher eher, auf eine effektivere Umsetzung der Hafenstaatkontrolle hinzuwirken. Nicht zu übersehen ist in diesem Zusammenhang, dass auch die USA eine Vielzahl von Schiffen direkt den Sanktionen unterlegt haben, sodass für die mit diesen Schiffen Handel treibenden Akteure Maßnahmen der „secondary sanctions“ zumindest aus Sicht des US-amerikanischen Sanktionsrechts nicht ausgeschlossen erscheinen.

Das 17. EU Sanktionspaket sieht für die Schiffe der Schattenflotte in gemäß Art. 3s der EU-Verordnung 833/2014 unter anderem ein umfangreiches Dienstleistungsverbot vor. Die Maßnahmen der EU erfassen überwiegend Tanker, es finden sich jedoch auch andere für militärische Zwecke genutzte Schiffe und schwimmende Ölförderschiffe (FSU‘s) unter den gelisteten Einheiten.

Von der US-amerikanischen Regierung sind Verlautbarungen zu hören, den aufgezeigten Trade durch Strafzölle zu beeinflussen. Die USA bemühen sich um einen Gleichklang mit der EU, so ist zu hören. Für die EU verbindet sich damit die ultimative Fragestellung, ob man sich neben den Diskussionen um die transatlantische Zollpolitik auch noch Zolltarifstreite mit wichtigen Geschäftspartnern im asiatischen Raum leisten kann.

Angesichts des Ausmaßes des Krieges und des Leids der ukrainischen Zivilbevölkerung erscheint es zunächst nicht fernliegend zu sein, auf ein Umdenken der Handlungsoptionen asiatischer Staaten zu hoffen und darauf durch weitere diplomatische Konsultationen außerhalb sich verschärfender Handelskriege hinzuwirken.

Inwieweit ansonsten wirtschaftliche Anreize des gegenwärtigen status quo und Einsatzes der Schattenflotte begrenzt werden können, ist darüber hinaus sicherlich weiterer Überlegungen wert. Dies allein schon vor dem Hintergrund, dass es unerwünscht sein muss, eine mit Substandard-Schifffahrt einhergehende Steigerung von Gewinnmargen zu tolerieren.

5. Weitere Maßnahmen im Überblick

Erneut sind weitere individuelle Einträge in Abänderung der EU-Verordnung 269/2014 vorgenommen worden, im Rahmen des 17. EU Sanktionspaketes sind weitere 17 Einzelpersonen und 58 Organisationen/Entitäten gelistet worden. Ferner sind Maßnahmen verabschiedet worden, die den Zugang zu militärisch nutzbaren Grundstoffen und Fertigungsmöglichkeiten für die russische Rüstungsindustrie erschweren sollen. Deshalb ist nicht nur Unternehmen der himmlischen Industrie, sondern auch solche Unternehmen, die Dual -Use- Güter produzieren zu empfehlen, sich mit den neuen Vorschriften genauestens vertraut zu machen.

6. Bewertung

Bei dem 17. Sanktionspaket handelt es sich um eine willkommene Intensivierung der Sanktionsmaßnahmen mit Schwerpunkten, die militärischen Kräfte Russlands einzugrenzen und Einnahmen aus dem Ölgeschäft zu verringern. Die maritime Industrie steht erneut besonders exponiert dar; dies ist parallel mit der Bedeutung der Schattenflotte für die russische Wirtschaft und die mit ihr verbundenen Risiken zu sehen.

Für Akteure der maritimen Wirtschaft bedeutet das besonders achtsam zu sein, um eine Einhaltung der Sanktionsvorschriften zu gewährleisten.

Dies gilt organisatorisch und im Rahmen eines aktiven Risikomanagement landseitig genauso wie für den Schiffsbetrieb, um den Gefahren, die von illegitimen Maßnahmen der Schattentankerflotte ausgehen wie dem Abschalten des AIS und der Verschleierung der GPS-Daten.

Angesichts der Detailtiefe der Regelungen ist für den Fall identifizierten Beratungsbedarfes an die Einholung von Rechtsrat zu denken, überblicksartige Veröffentlichungen können nicht die Beratung im Einzelfall ersetzen. Dies gilt auch für diesen Beitrag.

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