
Der Stand des Sanktionsrechts Anfang Februar 2025 und das 15. Paket der EU-Russland- Sanktionen
- 5. Februar 2025
- Veröffentlicht durch: Mutke Müller
- Kategorien: Außenhandelsrecht, Handels- und Wirtschaftsrecht, Schifffahrts- und Transportrecht
- Das 15. EU-Sanktionspaket gegen Russland- weitere Änderungen des EU-Sanktionsrechts
Unseren Überblick zu relevanten Themen derzeitig neuerer Entwicklungen des EU-Sanktionsrechts als europäische Antwort auf den völkerrechtswidrigen und durch Russland gesteuerten Angriffskrieg auf die Ukraine möchten wir mit einigen Beobachtungen zum 15. EU-Sanktionspaket einleiten. Die Mitgliedstaaten der EU haben sich am 16.12.2024 erneut auf ein umfassendes Maßnahmenpaket von Sanktionen verständigt. In den Fokus sind dabei sehr unterschiedliche Regelungsinhalte gerückt, auf die wir im Folgenden mit Schwerpunktsetzung eingehen wollen. Die grundsätzliche Struktur der Sanktionsregelungen ist unverändert geblieben. Personenbezogene Sanktionen sind im Rahmen der EU-Verordnung 269/2014 geregelt, geändert durch EU-Verordnung 2024/3189. Weitere Sanktionsmaßnahmen im Rahmen der EU-Verordnung 833/2014 sind durch die EU-Verordnung 2024/3192 geändert worden. Seit dem 17.12.2024 sind diese Regelungen in Kraft getreten.
Besonderes Schlaglichter möchten wir auf die Themen Deinvestition, die Maßnahmen hinsichtlich der Schattenflotte und den Umgang mit Entwicklung der russischen Gerichtsbarkeit sowie dem Schutz von EU Zentralverwahrern werfen. Zu den ersten beiden Themen verweisen wir an dieser Stelle auch gerne auf unsere Ausführungen zum 12. EU-Sanktionspaket und dort insbesondere auf unsere Ausführungen zur Schattenflotte. Die Existenz dieser sogenannten Schattenflotte war damals noch nicht so bekannt wie sie es heute ist – medienwirksame Vorfälle haben dazu beigetragen.
- Hintergründe und Umgang mit der Schattenflotte
Zunächst ist unseren Ausführungen zum 12. EU-Sanktionspaket hinsichtlich der Begriffsdefinition und dem Ausmaß des Problems mit der sogenannten Schattenflotte nichts Wesentliches hinzuzufügen.
Die mangelnde abstrakte Identifizierung eines Schiffes als Teil der sogenannten Schattenflotte lässt eine Intensivierung der Beobachtungen und die Listung einzelner identifizierte Schiffe als begrüßenswert erscheinen.
Denn abstrakt gesehen ist zu beachten, dass den häufig nicht unter russischer Flagge fahrenden Schiffen völkerrechtlich das Recht zusteht, gemäß des in Art. 87 des UN-Seerechtsübereinkommens (SRÜ) festgelegten Prinzips der Freiheit der Meere dieses Gebiet entsprechend zu nutzen. Das Völkerecht hat, wie Art. 88 SRÜ verdeutlicht, dabei eine friedliche Nutzung vor Augen.
Präventiv und auf Grundlage des Völkerrechts wird eine Verbannung der Schattenflotte auf den Weltmeeren im Rahmen derzeit bestehender Ordnung nicht einfach durchsetzbar sein. Ob damit eine Schutzlosigkeit hinsichtlich hybrider Kriegsführung einhergeht, ist eine derzeit intensiv diskutierte Fragestellung. Sowohl für die Nutzung der Weltmeere als insbesondere auch für die Nutzung von Gewässern, die der Regulierung von Küstenstaaten unterliegen, ist eine friedliche Nutzung Grundlage der eingeräumten Freiheitsrechte.
Es ist außerordentlich begrüßenswert, wenn einzelne Schiffe nach festgestellten Sanktionsverstößen gelistet werden, damit sie zumindest nach ihrer Listung direkt von staatlichen Maßnahmen betroffen sein können, wenn sie sich in Gewässern bewegen, für die die EU-Sanktionen Gültigkeit beanspruchen. Ohne hierauf im Detail eingehen zu wollen, sei an dieser Stelle erwähnt, dass die operationale Handhabung dieser Schiffe erheblich auch dadurch beeinträchtigt wird, dass die USA zum Ende der Biden-Regierung umfangreiche Listungen einzelner Schiffe durch ihr Office of Foreign Assets Control („OFAC“) vorgenommen haben.
Im Gegensatz zum EU-Sanktionsrecht ist der Gültigkeitsanspruch des US-Sanktionsrecht nicht durch das Erfordernis eines Nexus zu staatlichen Hoheitsrechten eingeschränkt.
Allein hierdurch ist die Listung einzelner Schiffe unter OFAC für diese Schiffe noch brisanter als eine Listung durch die EU.
Die EU hat 52 weitere Schiffe im Rahmen des 15. EU-Sanktionspakets gelistet, sodass dies insgesamt 79 sind. Diese Zahl verdeutlicht, dass damit nur ein geringer Bruchteil sämtlicher der Schattenflotte zuzuordnender Schiffe erfasst sind.
Daher rechtfertigt sich unsere Anmerkung, dass eine konsequente Erweiterung der Liste begrüßenswert wäre. Zum Vergleich umfasst die von OFAC verwaltete Liste derzeitig mehr als 450 Schiffe.
An dieser Stelle sollte erwähnt werden, dass einige Flaggenstaaten auf die Listungen reagieren und den betroffenen Schiffen die Flagge entziehen. Medienberichten zufolge hat Barbados Ende letzten Monats 46 Schiffen aufgrund der britischen Sanktionen die Flagge entzogen. Das panamaische Schiffsregister hat, soweit bekannt, bei 68 Schiffen auf die gleiche Weise gehandelt. Eine gültige Flagge und eine gültige und akzeptierte Versicherung vorweisen zu können, sind Grundvoraussetzung eines kommerziellen Schiffsbetriebs. Wir hatten hierzu in unseren Ausführungen zum zwölften EU-Sanktionspaket bereits dargestellt unter welchen internationalen Übereinkünften eine Pflicht zum Versicherungsnachweis besteht. Wird diese Pflicht von Schiffen der Schattenflotte nicht erfüllt, so ist an weitergehende Maßnahmen zu denken. So sieht etwa Artikel 7 des Bunkerölübereinkommens vor, dass eine sonstige finanzielle Sicherheit vorzuweisen ist, beispielsweise eine Bankbürgschaft. Entscheidend ist, dass es den Vertragsstatten des Bunkerölübereinkommens offensteht, den bestätigenden Staat um Konsultationen zu ersuchen, wenn er glaubt, dass der in der Versicherungsbescheinigung genannte Versicherer oder sonstige Sicherheitsgeber finanziell nicht in der Lage ist, die Verpflichtungen gemäß des Bunkerölübereinkommens zu erfüllen. Es erscheint geboten, dies jedenfalls für alle von den US-Sanktionen, UK-Sanktionen oder EU-Sanktionen betroffenen Schiffe zu durchleuchten, um erstens den Verpflichtungen des Art. 7 Abs. 12 des Bunkerölübereinkommenszukommen nachzukommen und zweitens Flaggenstaaten, die die Überprüfung des bestehenden Versicherungsschutzes in Anbetracht der Anforderungen des Bunkerölübereinkommens in unzureichender Weise vorgenommen haben, durch den Konsultationsprozess darauf hinzuweisen, dass eine dem Übereinkommen entsprechende finanzielle Sicherheit nicht besteht.
Verbunden mit dem völkerrechtlichen Prinzip der Freiheit der Meere wie es auch im Seerechtsübereinkommen verankert ist, ist eine wirksame Abhilfe bei Schiffen, die nicht die Küstengewässer oder die ausschließliche Wirtschaftszone eines Küstenstaates durchfahren, derzeit kein wirksames Instrumentarium ersichtlich, diese Schiffe trotz der mit ihnen verbundenen besonderen Gefahrensituation aus dem Verkehr zu ziehen. Die konsequente Sanktionierung einzelner Schiffe und die Hafenstaatkontrolle erscheinen daher zum jetzigen Zeitpunkt die effektivsten Mittel, die den Küstenstaaten im Zusammenhang mit der Eindämmung der mit der Schattenflotte einhergehenden Risiken zur Verfügung stehen.
- Deinvestitionsmaßnahmen
Ein weiterer Themenkomplex, der im Rahmen des 15. EU-Sanktionspaketes ebenfalls unter Anknüpfung an das 12. EU-Sanktionspaket erwähnenswert ist, ist die Verlängerung der Frist für Deinvestitionsmaßnahmen. Wir kommentierten hierzu bereits, dass diese Deinvestitionen in der Realität häufig mit Bereicherung russischer, oftmals staatsnaher oder staatlicher Einrichtungen und Akteure einhergeht und spiegelbildlich zu erheblichen wirtschaftlichen Verlusten für Unternehmen führt, die Investitionen aus Russland zurückziehen. Die Möglichkeit, Ausnahmegenehmigungen für das Ausbleiben von Deinvestitionsmaßnahmen zu erwirken, ist über den 31.12.2024 verlängert worden auf den 31.12.2025. Zu verweisen ist insofern auf die Bestimmungen des Art. 5 aa Abs. 3 lit. d, die generelle behördliche Genehmigungsmöglichkeit des Abs. 3 a und Art. 11 Abs. 4 und Art. 12b Abs. 1a, 2a, 2b der EU-Verordnung 833/2014.
- Schutz vor Unrechtsmechanismen des russischen Justizsystems – Art. 11c der EU-Verordnung 833/2014
Eine begrüßenswerte Neuerung ist Art. 11c der EU-Verordnung 833/2014.
Diese Neuerung ist einzuordnen als Schutzmechanismus gegen die russische Gerichtspraxis, unrechtmäßig Kompetenzen an sich zu ziehen. Hintergrund hierzu ist ein Gesetz (N 171-FZ), das bereits im Jahr 2020 erlassen wurde und Art 248.1. und 2 der russischen Arbitragegerichtsordnung abänderte.
Infolge dieser Änderungen beanspruchen russische Gerichte ausschließliche Zuständigkeit für Streitigkeiten, bei denen russische Unternehmen beteiligt sind, die ausländischen Sanktionen unterliegen. Folglich ist es russischen Unternehmen möglich, Streitigkeiten mit in der EU ansässigen Wirtschaftsakteuren russischen Gerichten zur Entscheidung vorzulegen und zusätzlich eine als Anti-Suit Injunction bezeichnete einstweilige Verfügung zu erwirken, die eine Fortsetzung eines im Ausland geführten Verfahrens untersagt. Diese Vorgehensweise ist nicht mit dem Erfordernis verknüpft, ein Hauptsacheverfahren in Russland zu führen und sieht für den Fall der Nichtbeachtung die Zahlung eines Zwangsgeldes- direkt an die Gegenpartei vor.
An dieser Stelle ist erwähnenswert, dass entsprechende Verfahrensabläufe mit größeren in der EU ansässigen Unternehmen bekannt geworden sind. In Deutschland stünde § 328 ZPO einer Vollstreckung entgegen. Die Regelung des Art. 11c der EU-Verordnung 833/2014 untersagt die Anerkennung und auch Vollstreckung entsprechender Gerichtsurteile aus Russland in den Mitgliedstaaten der EU. Letztlich ist Art. 11c der EU-Verordnung 833/2014 als eine konkrete Ausformulierung des Ordre Public zu verstehen. Soweit diese Regelung begrüßenswert ist, sei dennoch auf die mit der russischen Gerichtspraxis verbundenen Risiken der Vollstreckung auf derart unrechtmäßiger Weise ergangene Urteile außerhalb der EU hingewiesen. Dabei sollte auch beachtet werden, dass Russland mit einigen Drittstaaten Rechtshilfe- und Auslieferungsabkommen unterhält.
- Schutz von EU-Zentralverwahrern
Zentralverwahrern kommt bei dem Einfrieren von russischen Vermögenswerten eine wichtige Rolle zu. Von ihnen werden hohe Summen russischer Finanzanlagen gehalten, die eingefrorene Vermögenswerte darstellen und deren Zinsen als nicht vom völkerrechtlich beachtlichen Eigentumsschutz umfasst angesehen werden. Diese Einordnung wird aus Russland bestritten und angesichts der enormen Bedeutung, die den in der EU ansässigen Zentralverwahrern zukommt, überrascht es nicht, dass sich in der EU ansässigen Zentralverwahrer zunehmend russischen Vergeltungsmaßnahmen und Rechtsstreitigkeiten ausgesetzt sehen. Dieser Entwicklung begegnet Art. 6b Abs. 5j der EU-Verordnung 269/2014. Demnach ist es den Zentralverwahrern gestattet, die Freigabe von Barmitteln zu beantragen, um genau diesen Herausforderungen zu begegnen. Der Schutz ist recht umfassend konzipiert und berücksichtigt beispielsweise die Situation in der aufgrund eines Gesetzes, eines Dekrets, einer Verordnung, einer Gerichts- oder Verwaltungsentscheidung oder einer anderen Maßnahme, das bzw. die unmittelbar oder mittelbar der Russischen Föderation zurechenbar ist, ohne vorherige Zustimmung des betreffenden Zentralverwahrers das Konto belastet wurde.
Hinsichtlich der bereits erwähnten Zinsregelung wird die Rechtsauffassung der EU mit einer Nicht-Haftungsklausel zum Ausdruck gebracht und der Anspruch, der gegen Zentralverwahrer geltend gemacht werden kann, wird auf vertraglich fällige Zinsen begrenzt. Darüber hinaus erzielte Gewinne durch Kapitaleinsatz unterliegen damit nicht der Haftung.
- Änderungen der FAQs des BMWK und der EU-Kommission
Hinweisen möchten wir auf aktualisierte FAQs, die sowohl von der EU-Kommission als auf dem BMWK seit unserem letzten Beitrag zum EU-Sanktionsrecht zur Verfügung gestellt wurden.
Dabei gehen die von der EU-Kommission herausgegebenen FAQ auf die Definition von „knowingly and intentionally“ der Art. 9 der EU-Verordnung 269/2014 und Art. 12 der EU-Verordnung 833/2014 ein, also die Verbote der Umgehung. Auf die Entscheidung des EuGH in der Strafsache gegen Mohsen Afrasiabi u.a. nimmt der FAQ Bezug. Im Kern ist daher festzuhalten, dass ein billigendes Inkaufnehmen für die subjektive Erfüllung des Tatbestandes als ausreichend angesehen wird.
Ferner finden sich Ausführungen zu den Nicht-Haftungsklauseln, Art. 10 der EU-Verordnungen 269/2014 und 833/2014. Ein erfolgreiches Berufen auf mangelnde Kenntnis scheidet demnach aus, wenn nicht die üblichen Sorgfaltspflichten durch einen in der EU ansässigen Wirtschaftsakteur erfüllt wurden. Auf den entsprechenden Leitfaden zur Umsetzung verstärkter Sorgfaltspflichtmaßnahmen zur Verhinderung der Sanktionsumgehung wird dabei verwiesen.
Erläutert wird der mit dem 14. Sanktionspaket einhergehende zweite Absatz des Art. 3p, Abs. 4 der EU-Verordnung 833/2014. Die in Anhang XXXVIIIA, Part C aufgeführten Schmuckgüter unterliegen damit bis auf weiteres nicht den geplanten Sanktionsmaßnahmen. Bedenken hinsichtlich der Umsetzbarkeit und Überprüfbarkeit von Verstößen standen hinsichtlich dieser Regeln bereits als sie konzipiert wurde. Es geht dabei um Schmuck, der in Drittländern unter Verwendung russischer Diamanten gewisser Größe hergestellt wurde. Ausführlich stellen die FAQ die diesbezüglichen Regelungen dar und beschreiben auch für die Dokumentationspflichten im Detail erfüllt werden und wie Schutz hinsichtlich bereits erworbenen Schmucks erreicht werden kann. Dies verbindet sich mit dem Erfordernis der Begutachtung und Zertifizierung.
Für alle in der EU ansässigen Wirtschaftsakteure, die eine sogenannte No Russia-Clause verwenden, dürfte Klarstellung willkommen sein, was unter „angemessenen Abhilfemaßnahmen“ im Sinn des Art 12g Abs. 3 der EU-Verordnung 833/2014 zu verstehen ist. Der aktuelle FAQ stellt hierzu weitergehende Anhaltspunkte bereit. Er erläutert den Anwendungsbereich der „no re-export to Russia-Clause“ detailreich.
Insgesamt umfasst das Dokument mit den FAQ der EU-Kommission mittlerweile mehr als 430 Seiten und ist damit detaillierter als die Erläuterungen des BMWK, die unter dem folgenden Link abrufbar sind (Stand 04.02.2025) und Erläuterungen zu insgesamt 72 verschiedenen Unterpunkten bereitstellen, die bei der Auslegung der EU-Sanktionen häufig eine besondere Rolle spielen.
https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/FAQ/Sanktionen-Russland/faq-russland-sanktionen.html
Als abschließend und umfassend, sind diese Erläuterungen nicht zu verstehen. Sie geben eine Richtlinie, EU-Bürger und insbesondere Wirtschaftsakteure in der EU sollten sich stets überlegen, ob und inwieweit sie es für geboten erachten, maßgeschneiderten Rechtsrat einzuholen. Insbesondere bei der Erfüllung von Sorgfaltspflichten wird von staatlichen Stellen stets betont, dass eine individuelle Würdigung aller Umstände und Risiken erwartet wird.
Angesichts der Detailtiefe der Regelungen ist für den Fall identifizierten Beratungsbedarfes an die Einholung von Rechtsrat zu denken, überblicksartige Veröffentlichungen können nicht die Beratung im Einzelfall ersetzen. Dies gilt auch für diesen Beitrag.
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