Arbeitsrecht

Ausgehandelte Gehälter kein Argument für gender-pay-gap

Zusammenfassung des Verfahrens

Die Klägerin und Arbeitnehmerin war bei einem Unternehmen der metallverarbeitenden Industrie mit ca. 180 Mitarbeitern angestellt. Seitens des Arbeitgebers sind ihr in der Arbeitsvertragsverhandlung 3.500 € als Bruttogrundgehalt angeboten worden. Die als Außendienstmitarbeiterin angestellte Arbeitnehmerin akzeptierte dieses Angebot, ohne einen höheren Bruttolohn zu fordern.

Unter den gleichen Bedingungen tat dies aber ein als Außendienstmitarbeiter angestellter Kollege, dessen Arbeitsvertrag drei Monate vor dem Vertrag der Klägerin geschlossen wurde. Ihm wurden ebenfalls 3.500 € als Bruttorundgehalt angeboten, was dieser nicht akzeptierte. Vielmehr forderte er ein Grundgehalt von 4.500 € brutto, welches ihm zugestanden wurde.

Beide Grundgehälter wurden im Folgenden als Ausgangspunkt für Lohnerhöhungen verwendet, sodass zwischen dem Monatsgehalt der Klägerin und dem ihres männlichen Außendienstkollegen eine Differenz von 1.000 € brutto beziehungsweise von 500 € brutto – der Bruttolohn des Kollegen kürzte sich zugunsten von Erfolgsprämien um 500 € brutto – lag.

Die Arbeitnehmerin sah hierin eine Ungleichbehandlung aufgrund ihres Geschlechts. Zwar erhielt sie ebenfalls Erfolgsprämien, doch in der Abweichung der Grundgehälter liege eine Entgeltdiskriminierung. Aus diesem Grund begehrte sie eine Nachvergütung in Höhe der Differenz der Bruttogehälter. In den ersten Instanzen wurde dies abgewiesen. Nun hat aber das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass ein Anspruch auf die begehrte Nachvergütung besteht.

Zwischen den Parteien war unstreitig, dass beide Arbeitnehmende die gleiche und gleichwertige Arbeit mit denselben Verantwortlichkeiten und Befugnissen ausübten. Hieraus und aus der Differenz des ausgezahlten Bruttolohns leitete das Bundesarbeitsgericht den ersten Anschein einer geschlechtsbezogenen Entgeltdiskriminierung gem. § 7 Entgelttransparenzgesetz, dessen Entgeltgleichheitsgrundsatz für alle Arbeitgeber unabhängig von deren Unternehmensgröße gilt, ab. Daraus folgt, dass der Arbeitgeber beweisen muss, dass die Ungleichbehandlung der Arbeitnehmenden aus objektiven Gründen gerechtfertigt ist, § 22 AGG. Dabei liegen die Hürden für eine Rechtfertigung hoch.

Der Arbeitgeber brachte vor, dass die Differenzen durch die individuellen Vertragsverhandlungen, die mit demselben Grundangebot begannen, zustande gekommen sind. Im Wege der Mitarbeitergewinnung, welche aufgrund anderer beendeter Arbeitsverhältnisse dringend angezeigt war, sah sich der Arbeitgeber gezwungen auf die Lohnforderung des männlichen Vertriebsmitarbeiters einzugehen. Außerdem trat dieser die Nachfolge einer besser bezahlten Kollegin an. Schließlich argumentierte der Arbeitgeber, dass der männliche Mitarbeiter besser verhandelte, was nicht in der Verantwortung des Arbeitgebers liege und durch die Privatautonomie gedeckt sei. Dem entgegnete die Klägerin, dass die Vertragsautonomie in zulässiger Weise durch die Diskriminierungsverbote eingeschränkt sei. Weder die Nachfolge einer besser bezahlten Kollegin noch das bessere Verhandeln des Kollegen könne eine Ungleichbehandlung rechtfertigen.

Während das Arbeitsgericht Dresden und das Landesarbeitsgericht Sachsen die Vertragsautonomie und die Eigenverantwortlichkeit der Arbeitnehmerin betonten, gab das Bundesarbeitsgericht der Klägerin Recht. Es führt aus, dass die hohen Hürden der Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung von Arbeitnehmenden mit Diskriminierungsmerkmalen nicht durch einen Verweis auf die unterschiedlich verlaufenden Vertragsverhandlungen genommen werden können.

Fazit

Letztlich wird das Diskriminierungsverbot durch das Bundesarbeitsgericht dahingehend verschärft, dass Männer und Frauen ohne Berücksichtigung der einzelvertraglichen Verhandlungen gleich zu bezahlen sind, soweit sie gleiche und gleichwertige Arbeit verrichten. Dies soll auch gelten, wenn der Arbeitgeber in den Vertragsverhandlungen das gleiche Ausgangsangebot gemacht hat, aber ein Mitarbeiter ein höheres Gehalt aushandeln konnte. Faktische Folge ist, dass von den besseren Vertragsverhandlungen eines Kollegen auch diejenigen (verschiedengeschlechtlichen) Mitarbeiter profitieren müssen, die die gleiche und gleichwertige Arbeit verrichten. Diejenigen Mitarbeiter gleichen Geschlechts profitieren hingegen nicht. Ob das dem innerbetrieblichen Frieden zuträglich ist, kann bezweifelt werden.

Gleichwohl hat das BAG mit dieser Entscheidung ein kräftiges Ausrufezeichen für den Grundsatz „gleicher Lohn bei gleicher Arbeit“ gesetzt. Eine Differenzierung bleibt aber möglich, wenn objektive Kriterien dies rechtfertigen. Das können unter anderem die Art der Arbeit, die Ausbildungsanforderung, die Qualifikation, die Arbeitseffizienz oder der Umfang der zu tragenden Verantwortung sein.

Ist eine solche Unterscheidung zwischen den Arbeitnehmenden nicht möglich, müssen bei Vertragsverhandlungen die Vertragsbedingungen von Arbeitnehmern, die die gleiche oder gleichwertige Arbeit verrichten, beachtet werden, wenn also ein Geschlechtsunterschied besteht; dies dürfte auch in alle Richtungen wirken.

Es bleibt noch abzuwarten, wie das BAG im Einzelnen seine Entscheidung begründet. Dass aber Handlungsbedarf besteht, dürfte jetzt bereits klar sein.

Bei der Überprüfung Ihrer Arbeitsverträge steht Ihnen unsere Praxisgruppe Arbeitsrecht gerne zur Verfügung. Gerne beraten wir Sie zu Fragen der Diskriminierungsverbote.