Immobilienwirtschaftsrecht

Anpassung der Gewerbemiete während des Lockdowns

Der BGH hat mit Urteil vom 12.01.2022, Az.: BGH XII ZR 8/21, die in den letzten Monaten vielfach diskutierte Frage zur Anpassung der Gewerbemiete während des Lockdowns entschieden. Es gelingt dem BGH dabei aber leider nicht, die bestehenden Rechtsunsicherheiten für die Zukunft zu klären. So hat er zwar entschieden, dass Gewerberaummieter, die ihr Geschäft im Lockdown schließen mussten, die Mietzahlungen für diesen Zeitraum grundsätzlich anpassen können. Hierbei komme es jedoch entscheidend auf die Umstände im Einzelfall an.

Dem BGH lag folgender Sachverhalt zur Entscheidung vor:

Die Klägerin hatte der Beklagten, einem Einzelhandelsgeschäft für Textilien, Gewerberäume zur Nutzung als Verkaufs- und Lagerräume vermietet. Im März 2020 beschloss der Freistaat Sachsen aufgrund der beginnenden Covid-19-Pandemie die landesweite Schließung vieler Einzelhandelsgeschäfte. Auch die Beklagte musste ihr Ladengeschäft über einen Zeitraum von einem Monat schließen. Für diesen Zeitraum zahlte sie die vereinbarte Miete daher nicht. Die Klägerin machte die ausstehenden Mieten sodann gerichtlich gegen die Beklagte geltend.

Während das Landgericht Chemnitz der Klage zunächst stattgab, sah das Berufungsgericht in der staatlichen Schließungsanordnung eine sog. Störung der Geschäftsgrundlage, welche die Beklagte zur Anpassung des Mietverhältnisses hinsichtlich der Miethöhe berechtige. Die Beklagte habe insoweit nur die halbe Miete für den Zeitraum der Schließung zu zahlen.

Der BGH gab der gegen das Urteil gerichteten Revision nunmehr statt und hob das Urteil des Oberlandesgerichts Dresden auf.

Nach Ansicht des BGH stelle die durch den Lockdown erzwungene Betriebsschließung zwar keinen Mangel im Sinne des § 536 BGB dar, sodass eine Minderung nicht in Betracht komme. Ebenso handele es sich nicht um einen Fall der Unmöglichkeit, da die Vermieterin die geschuldete Leistung auch während der Betriebsschließung erbracht habe. Allerdings sei durch den Lockdown die sog. „große Geschäftsgrundlage“ gestört. Dadurch sei – jedenfalls in dem zur Entscheidung vorliegenden Fall – eine Anpassung des Vertrages erforderlich gewesen.

Hierzu führt der BGH weiter aus, dass die große Geschäftsgrundlage vor allem die Erwartungen der Vertragsparteien umfasse, dass sich die grundlegenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen des Mietvertrags nicht etwa durch Krieg, Vertreibung oder Katastrophen ändern. Diese Erwartung sei durch die Schließungsverfügung im Rahmen der Allgemeinverfügung schwerwiegend gestört worden. Es sei insoweit davon auszugehen, dass die Parteien den Mietvertrag mit einem anderen Inhalt abgeschlossen hätten, wenn sie die Möglichkeit einer Pandemie vorausgesehen hätten. Zwar trage – mangels anderweitiger vertraglicher Vereinbarung – grundsätzlich der Mieter das Verwendungsrisiko einer Mietsache und insbesondere das Risiko einer enttäuschten Gewinnerwartung; das Risiko einer hoheitlichen Schließungsverfügung (hier zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie) gehe jedoch über dieses bloße Verwendungsrisiko hinaus.

Der Wegfall der Geschäftsgrundlage allein rechtfertige eine Vertragsanpassung indes noch nicht. Vielmehr dürfe dem Vertragspartner das Festhalten am unveränderten Vertrag unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar sein. Bei der vorzunehmenden Abwägung sei von besonderer Bedeutung, welche Nachteile dem Mieter durch die Schließung entstanden sind und welche Anstrengungen er unternommen hat, um diese Verluste zu vermindern. Es seien aber auch die Vorteile zu berücksichtigen, die dem Mieter aufgrund des Lockdowns zugeflossen sind. In Betracht kämen hierbei insbesondere staatliche Leistungen zum finanziellen Ausgleich der pandemiebedingten Nachteile, aber auch Leistungen einer einstandspflichtigen Betriebsversicherung. Zudem seien auch die Interessen des Vermieters zu berücksichtigen.

Eine pauschale Aufteilung der Miete etwa dahingehend, dass der Mieter die Miete nur noch hälftig zu zahlen habe, komme vor diesem Hintergrund nicht in Betracht. Vielmehr sei das Mietverhältnis unter Berücksichtigung aller Umstände im Einzelfall anzupassen.

Das Urteil klärt verschiedene, in der Vergangenheit vor den Instanzgerichten umfangreich diskutierte Rechtsfragen zutreffend und endgültig. Es bringt aber auch weitere Rechtsunsicherheit mit sich, da stets eine Betrachtung im Einzelfall unter Abwägung der Vor- und Nachteile beider Vertragsparteien erfolgen muss. Dies ist zwar sachgerecht, führt im Ergebnis jedoch auch dazu, dass weiter unklar bleibt, in welchen Fällen eine Anpassung des Mietverhältnisses aufgrund einer Störung der Geschäftsgrundlage in Betracht kommt. Hier wird es weiter auf die zu erwartende Judikatur der Instanzgerichte ankommen. Sollten Sie Unterstützung bei der rechtlichen Bewertung einer Mietsituation im Zusammenhang mit Einschränkungen durch staatliche Maßnahmen haben, sprechen Sie unsere Experten aus unserem Fachbereich Immobilienwirtschaftsrecht jederzeit direkt an.